„Das Kreuz im Altmühltal“ – Neuinterpretation eines berühmten Heimatschauspiels

von | 3. August 2023 | Altmühlfranken, Gunzenhausen

Gun­zen­hau­sen (red). Gan­ze sechs Jahr­zehn­te muss­ten die Gun­zen­häu­ser auf eine Wie­der­auf­füh­rung des Hei­mat­schau­spiels „Das Kreuz im Alt­mühl­tal“ war­ten. Auch wenn die zahl­rei­chen zeit­lo­sen Moti­ve wie bei­spiels­wei­se Lie­be, Eifer­sucht oder Rache eine gro­ße Rol­le spie­len, das Thea­ter­vor­la­ge hat­te defi­ni­tiv Staub ange­setzt und muss­te für eine Neu­auf­füh­rung grund­le­gend bear­bei­tet wer­den. Stadt­ar­chi­var Wer­ner Mühl­h­äu­ßer und Pres­se­re­fe­rent Manu­el Gros­ser waren sich bereits Anfang 2022 einig: Zum Stadt­ju­bi­lä­um soll­te die berühmt-berüch­tig­te Folk­lo­re auf die Büh­ne gebracht wer­den, hier­zu braucht es jedoch aus­ge­wie­se­ne Thea­ter­pro­fis, wel­che sich mit Herz und Ver­stand der Sache anneh­men. Gefun­den wur­den die­se im Schau­spiel­ensem­ble der Wei­ßen­bur­ger Büh­ne und in Regis­seur Tho­mas Haus­ner.

„Die Neu­auf­füh­rung des Hei­mat­schau­spiels „Das Kreuz im Alt­mühl­tal“ lag mir ganz per­sön­lich am Her­zen“, erklärt Wer­ner Mühl­h­äu­ßer. „Bereits zum letz­ten Jubi­lä­um im Jahr 1924 wur­de das Stück auf­ge­führt. Bis in die 1960er-Jah­re hin­ein begeis­ter­te es und zog tau­sen­de von Gäs­ten aus nah und fern ins Thea­ter. Zuletzt war es auf der sog. Wald­büh­ne am Röschels­kel­ler zu sehen. In den Jahr­zehn­ten mei­ner Stadt­ar­chi­var­s­tä­tig­keit bin ich immer wie­der auf das „Kreuz im Alt­mühl­tal“ ange­spro­chen wor­den. Die Fas­zi­na­ti­on wur­de von einer Gene­ra­ti­on an die ande­re wei­ter­ge­ge­ben, die Lust auf das Stück war rie­sig. Da kam uns das Stadt­ju­bi­lä­ums­jahr 2023 ganz recht, denn solch ein Geburts­tag ist der per­fek­te Rah­men für ein Stück Thea­ter­ge­schich­te. Es war uns Freu­de und Ehre zugleich, das „Kreuz im Alt­mühl­tal“ wie­der mit Leben zu fül­len.“

Eine 1:1‑Kopie des Urtex­tes schlos­sen die Betei­lig­ten von Beginn an aus. Der Inhalt soll­te schlan­ker, die Spra­che moder­ner wer­den und zusätz­lich eini­ge neue Gedan­ken Ein­zug erhal­ten. Bewusst gesetz­te Hand­lungs­brü­che soll­ten den Plot straf­fen und dem Publi­kum Spiel­raum für Inter­pre­ta­tio­nen geben. „Die Fas­sung von Gus­tav Schnei­der fan­den wir fas­zi­nie­rend, denn er hat­te – frei nach Luther — den Men­schen auf´s Maul g´schaut und eine Geschich­te nie­der­ge­schrie­ben, wie sie der­art pas­siert sein könn­te“, so Manu­el Gros­ser. „Das Stück berührt die Lebens­wirk­lich­keit der Men­schen, es fehlt ihm aus heu­ti­ger Sicht aber an Geschwin­dig­keit und Tie­fe. In gewis­ser Wei­se ist es zeit­los, es geht um die Stän­de­ord­nung, um sozia­le Unge­rech­tig­keit und das mensch­li­che Mit­ein­an­der – die­se Moti­ve sind heu­te noch wich­tig, aller­dings hat die gesell­schaft­li­che Ent­wick­lung die Sicht­wei­se dar­auf ver­än­dert. In Zusam­men­ar­beit mit der Weis­sen­bur­ger Büh­ne haben wir den Stift ange­setzt und die Kern­ideen in die Moder­ne trans­por­tiert. Der Kor­pus blieb, die Hül­le haben wir teil­wei­se neu befüllt.“

Kom­men wir zur Auf­füh­rung: Wie Shakespeare´s welt­be­rühm­tes Lie­bes­paar Romeo und Julia spiel­ten sich Anne Pöß­ni­cker und Simon Schock als Hed­wig und Burk­hard in die Her­zen der Gun­zen­häu­ser Zuschau­er. Inten­siv lieb­te und litt die jun­ge Frau unter einer Bezie­hung, die nie­mals funk­tio­nie­ren durf­te. Vom Kum­mer über das enge Stan­des­kor­sett gezeich­net löst Burk­hard nicht nur die enge Ban­de zum Haus Secken­dorff, son­dern in einem unglück­li­chen Akt das Leben der Gelieb­ten aus. Die Fischer­sel­tern Katha­ri­na und Anselm, gespielt von Edith und Mike Heckel, ver­lie­ren dadurch nicht nur die ein­zi­ge Toch­ter, son­dern auch das Ver­spre­chen auf den Fort­be­stand der eige­nen Fami­lie. Hart­mut Röhl als Graf von Secken­dorff sieht sei­nen Sohn schon für das Adels­ge­schlecht ver­lo­ren, der Tod Hed­wigs führt ihn aller­dings ins eige­ne Haus zurück. Doch am Ende bleibt auch dort nur der Schock: Burk­hard wird auf einer Süh­ne­r­ei­se töd­lich ver­wun­det. Vor­her hat er zum Geden­ken an sei­ne gelieb­te Hed­wig ein Kreuz, eben jenes Kreuz im Alt­mühl­tal, errich­ten las­sen. Auch ein Spi­tal schenk­te er als Wie­der­gut­ma­chung für das zuge­füg­te Leid der Stadt Gun­zen­hau­sen.

Die Neu­in­ter­pre­ta­ti­on des Hei­mat­schau­spiels „Das Kreuz im Alt­mühl­tal“ war ein vol­ler Erfolg. Davon erzäh­len nicht nur zwei rest­los aus­ver­kauf­te Vor­stel­lun­gen im Fal­ken­gar­ten, son­dern auch der anhal­ten­de Applaus und die zahl­rei­chen eupho­ri­schen Rück­mel­dun­gen. Posi­tiv in Erin­ne­rung blei­ben, wird auch Her­bert Gut­h­mann, der als sin­gen­der Akkor­de­on­spie­ler den Inhalt immer wie­der zusam­men­fass­te und damit für den ein oder ande­ren Schmunz­ler sorg­te. „Wir haben eine tol­le, moder­ne Neu­auf­füh­rung erlebt“, freut sich Stadt­ar­chi­var Wer­ner Mühl­h­äu­ßer. „Das Kreuz im Alt­mühl­tal lebt und wer weiß – viel­leicht müs­sen dies­mal kei­ne 60 Jah­re ver­ge­hen, bis das Stück das nächs­te Mal auf­ge­führt wird.“