Ein Bäcker durch und durch – Interview mit Bäckermeister Hans-Günther Mack

Bopfingen (wz). Wenn Antrieb einen Namen hat, dann Hans-Günther Mack. Der Bäckermeister aus Bopfingen widmet sich gerade seinem allerneusten Projekt. Eine brandneue Schokolaterie am Marktplatz in Bopfingen. Damit er weiß, was er macht und allerbeste Produkte anbieten kann, absolviert er parallel die aufwendige und zeitintensive Ausbildung zum Schokoladen-Sommelier. Von den Schokoladen-Sommeliers gibt es aktuell nur etwa 30 in Deutschland. In der „alten“ Mack`schen Konditorei in Bopfingen ist sein Entwicklungscenter. Dort röstet Hans-Günther Mack auch seinen eigenen Kaffee. Über 44 Filialen der Handwerksbäckerei Mack im Ostalbkreis und im Kreis Donau-Ries mit über 480 Mitarbeitern sind das Ergebnis von über 35 Jahren harter Arbeit.
 
WZ: Sie sind immer mit aktuellen Themen beschäftigt, vor kurzem haben Sie erst mit über 480 Übungseinheiten und 600 Stunden Projektarbeit, die Ausbildung zum Brot-Sommelier abgeschlossen. Davon gibt es gerade mal 70 in ganz Deutschland. Im Vergleich, der Weinsommelier hat nur 400 Übungseinheiten. Das klingt alles nach Bäcker aus Leidenschaft.
 
Hans-Günther Mack: Der Weg war vorgezeichnet, so war das damals. Mein Großvater war Bäcker, mein Vater war´s und da war klar, ich werde es auch. Allerdings, und das ist noch heute so: ich backe für mein Leben gerne! Ich bin im Leben angekommen. Das muss wohl daran liegen, dass ich über der Backstube geboren bin. Das hatte den Vorteil, im Winter war es schön warm und den Nachteil, im Sommer war es unerträglich heiß.
 
WZ: Also Bäcker durch und durch!
 
Als Siebzehnjähriger musste ich die Rolle des Backstubenleiters übernehmen und mit 23 Jahren war ich damals der jüngste Bäckermeister in Baden-Württemberg. Mit 24 Jahren habe ich mich als Ein-Mann-Betrieb selbstständig gemacht und drei Monate später machte ich meine erste Filiale in Bopfingen am Marktplatz auf. Dann kam 1986 die erste Bäckerei im Kaufland in Nördlingen und da habe ich aus dem Stand den Umsatz verdoppelt. Das war ´ne richtige Nummer, so ging‘s los.
 
WZ:…und dann kamen die anderen Filialen?
 
Nee, danach war mir erst mal langweilig und ich habe 1987 den Meisterbrief im Konditoren-Handwerk gemacht. Dass wir so gewachsen sind, kam erst mit der Zeit. Im alten Betrieb in Aufhausen wurde es irgendwann zu klein und ich habe mich entschlossen, auf der grünen Wiese in Westhausen eine neue große Backstube zu bauen. Die war so groß und so auf Expansion ausgelegt – den Umsatz den wir brauchten, hatten wir am Anfang gar nicht. Aber das ist jetzt 19 Jahre her und die Zeiten haben sich geändert.
 
WZ: Der Bäcker ist immer der erste, der den Tag beginnt! Ist das bei Ihnen auch so?
 
Seit ich denken kann, habe ich eine Sechs-Tage-Woche und arbeite zwölf Stunden Minimum. Aktuell kümmere ich mich um Produktentwicklung und Qualität.
 
WZ: Ihr jüngstes Projekt – die Schokolaterie! Was ist der Anlass dafür?
 
Sehen Sie, die meisten Menschen haben noch nie richtige Schokolade gegessen. Bei der Schokolaterie ist die Qualität extrem wichtig für mich. Die großen Markenartikel haben alle nur Mainstreaming-Geschmack und Qualität. Da schmecken Sie doch gar keine richtige Schokolade mehr heraus. Mein Konzept ist Bean to Bar. Ich begleite mein Produkt von der Bohne bis zur Ladentheke und überwache jeden Schritt in der Produktion.
 
WZ: Klingt sehr aufwendig.
 
Ja, in der Tat! Das fängt schon bei der Kakaobohne an. Es gibt drei Arten von Kakaobohnen und somit ganz viele Geschmacksmöglichkeiten. Des weiteren gibt es noch hunderte Sorten die noch nicht untersucht und kultiviert sind. Ich persönlich habe mir aktuell 8 Anbaugebiete herausgesucht, mit acht ganz unterschiedlichen Eigenschaften und Geschmacksrichtungen.
Wir stimmen alle aufeinander ab. Ganz wichtig, wir mahlen unsere Bohnen selbst. Deshalb suche ich mir die Erzeugerfarmen selbst aus – in Tansania, in Peru und anderswo. Es gibt Tausende von Kakaobohnenherstellern und je nach Farm schmeckt jede etwas anders. Eigentlich gibt es nur fünf Sorten, aber jede Klimazone, jedes Land und jedes Terroir schmecken grundlegend anders. Ich habe mich aktuell für acht Sorten entschieden.
 
WZ: Da zwängt sich ja geradezu das Stichwort Fair Trade auf.
 
Ganz wichtig: Die Menschen dort müssen mitverdienen. Der Weltmarktpreis liegt bei 2,30€, pro Kilo, da kann kein Bauer davon leben. Meine Bohnen kosten zwischen 5 € und 11,80€ für Edelkakao der Sorte Criollo und Arabica National, aus dem Hochland in Kolumbien. Den Unterschied schmeckt man aber auch! Da sehen Sie schon den Unterschied. Die Flüchtlingsströme nach Europa sind vorauszusehen! Oder alternativ wird von den Kakaobauern Coca angebaut, das ist auf diesen Lagen durchaus möglich und daraus produzieren sie dann Kokain.
 
WZ: …und der Unterschied zu Ihrer Schokolade?
 
Die Spitzenqualitäten, die wir verwenden kosten das Vielfache und bringen in der Regel den Bauern mehr Einkommen. Weil der Rohstoff so teuer ist, nehmen die großen Schokoladenhersteller wenig Kakao und deshalb kommt so viel Zucker in die Schokolade hinein, rein aus Kostengründen.
 
 
WZ: Ich habe mitbekommen, Sie haben eine große Blumenwiese angelegt, wofür?
 
Ich liebe Honig, deshalb mache ich den selbst. Aus diesem Grund habe ich für meine fünf Bienenvölker eine 4000 qm große Blumenwiese angelegt, damit die Bienen eine gute Nahrungsgrundlage haben. Wissen Sie, der richtige gute Honig ist nicht günstig, aber er kann Allergiker von seinen Leiden befreien. Wenn Sie täglich einen Löffel lokalen Honig essen, da sind alle Pollen aus Ihrer Umgebung drin, werden Sie beschwerdefreier, vielleicht sogar komplett.
 
WZ: Verrückt, geht das mit jedem Honig?
 
Das klappt oft nicht mit anderen Honigsorten, weil der Honig meist eingeführt wird und nicht aus Ihrer Heimat stammt. Der Industriehonig kommt aus dem Ausland und wird wärmebehandelt, somit hat er keine Vitamine mehr und ist damit so wertlos wie normaler Zucker.
 
WZ: Überregional bekannt geworden sind Sie als Semmelrebell, so hat Sie die Bild Zeitung genannt.
 
Ach, ein alter Hut! Wer kann sich schon erinnern, dass es sonntags ein Back- und Verkaufsverbot für Brötchen gegeben hat. Angeblich hat der Verkauf von Brötchen damals die Sonntagsruhe gestört. Das Sonntagsbackverbot ist erst 1995 gefallen. Damals habe ich den Revoluzzer gespielt. Sonntagsruhe, wer kennt das Wort überhaupt noch.
Heute backen wir an 361 Tagen im Jahr. Nur Weihnachten, Neujahr und Karfreitag bleiben die Öfen kalt. Frische Brötchen am Sonntag, das ist heute selbstverständlich. Damals kam jeden Sonntag die Kripo und hat geguckt, ob die Öfen noch warm sind. Weil sie mir damals nicht Herr wurden, ging das bis zu Helmut Kohl hoch, der war damals Bundeskanzler. Das hatte den Kohl so geärgert, dass ich so renitent war, der hat beinahe den Polizeipräsidenten damals geschasst, weil der mich nicht bremsen konnte.
 
WZ: Abgesehen von frischen Brötchen am Sonntag, gab es dadurch weitere Effekte für die Bäcker?
 
Sehen Sie heute gibt es noch 11.400 statt damals 20.000 Bäcker. Jedes Jahr verschwinden rund 4 Prozent Bäcker vom Markt. Gäbe es das Sonntagsbackverbot noch, sähe es noch schlechter aus. Die Kosten bleiben doch die gleichen, ob sie sechs oder sieben Tage ihre Bäckerei offen haben. Rohstoffe, Personal, Miete, Herstellung, aber ein Verkaufstag weniger in der Woche, das kann schlecht ausgehen. Meine Filialen sind meist von 6 Uhr morgens bis abends 20 Uhr besetzt, das sind zwei bis drei Schichten. Das ist ein hoher Personalaufwand und eine riesige Verantwortung. Letztlich ist mir wichtig, was hinten raus kommt, das muss passen und Spaß machen.
 
WZ: Mit Spaß und Freude bei der Arbeit sein, ich glaube, das ist das Beste was einem passieren kann.
 
Wenn ich keinen Spaß mehr hätte, wäre ich nicht mehr da. Ich hätte vor 20 Jahren schon mein Geschäft sehr gut verkaufen können, um dann in der Hängematte zu liegen – das bin ich nicht. Wenn ich es gesundheitlich machen kann, dann arbeite ich noch zwanzig Jahre. Ich habe so viele Ideen, da brauche ich auch noch mindestens 20 Jahre um das alles zu machen. (lacht!)
 
WZ: Ja, was juckt Sie jetzt in den Fingern?
 
Als nächstes kommt Wein dran. Nur vier Prozent der Verbraucher geben mehr als 4,99 Euro für eine Flasche Wein aus und da sehe ich mich, aber das ist im Moment noch ein fernes Ziel.
 
WZ: Sie denken ja sehr vielschichtig und greifen unterschiedliche Themen auf.
 
Ich habe schon einiges ausprobiert, derzeit beschäftige ich mich mit Gewürzen. Da gibt es einen fünften Geschmack, den kennt keiner. Wir schmecken süß, salzig, bitter und sauer. Umami ist die jüngste Geschmacksausrichtung. Das ist japanisch und heißt Schmackhaftigkeit. Damit sind herzhaft-wohlschmeckende Lebensmittel gemeint, z.B. ist die Tomate ein Umami-Vertreter. So kreiere ich für mich private Würzmischungen. In meinem Garten baue ich gerade eine Kräuterschnecke mit allen Klimazonen von feucht bis trocken, da kann ich immer alle Kräuter frisch ernten.
 
WZ: Heißt das, es gibt bald in Ihren Filialen Würzmischungen von Ihnen?
 
Nicht auszuschließen, aber probieren Sie doch mal diesen Limoncello.
 
WZ: Wow lecker…, ich fühle mich gleich wie in Italien.
 
Vor Jahren war ich in Italien im Urlaub und da habe ich diesen hausgemachten Limoncello kennengelernt. Mit dem Wirt habe ich so lange getrunken, bis er mir das Rezept verraten hat. Der Limoncello bei mir wird fünf Jahre gelagert…!
 
…und dann Schluck für Schluck getrunken.
 
Hier ein Stück Brot, unsere neueste Kreation – „Fürst-Wallerstein“-Brot. Denken Sie mal zurück an Rumpelstilzchen, „Heute back‘ ich, morgen brau‘ ich…“, so wurde das „Bier“ quasi erfunden. Und hier haben wir beide Komponenten zusammengebracht.
 
WZ: Mmmh lecker, jetzt noch ein kerniger Belag.
 
Kein Problem, ich habe eine leckere Leberwurst von einem Bio Bauern, dessen handaufgezogene Schweine auf Stroh stehen.
 
WZ: Mit Brot kennen Sie sich aus, nicht nur als Bäcker. Mit über 700 Stunden haben Sie den Brotsommelier erfolgreich abgeschlossen, davon gibt es in Deutschland nur insgesamt 72.
 
Innovation heißt ja auch anderssein, immer wieder etwas Neues ausprobieren. Neue Dinkelbrötchen zum Beispiel. Wir verarbeiten ja noch mehr Urgetreide, wie Emmer oder Einkorn und kreieren daraus neue Produkte. Die meisten schimpfen wegen Weizen und Gluten. Ist ja auch kein Wunder, wenn das Brot eine Reifezeit von nur einer Stunde und weniger hat. Bei uns reift das Brot bis zu zwölf Stunden, das braucht es, um bekömmlich zu werden. In der Zeit werden die FODMAP abgebaut (FODMAP = Nahrungsmittel die im Magen-Darm schlecht abgebaut werden). Alles andere führt zu Unverträglichkeiten.
 
WZ: Klingt simpel und überzeugend.
 
Einfaches Beispiel: Das Korn will ja wachsen, würden Rehe in der freien Natur Weizen essen, würde der Weizen ja im Magen aufblähen, folglich lassen sie es. Effektiv haben nur ein Prozent aller Menschen eine Weizenallergie, das sind in Deutschland dann so rund 80.000. Der Rest der Menschen kauft sein Brot einfach nur beim falschen Bäcker.
 
Das ist vielfach der Grund für die Unverträglichkeit, ich bin sprachlos.
 
Aktuell stellen wir unsere Eier auf Bio um. In den Cafés haben wir das bereits, in der Backstube werden wir das in spätestens zwei Jahren finalisiert haben. Wir arbeiten da mit demeter zusammen. Eine Gesellschaft, ein Zusammenschluss von Bauern mit anthroposophischen Ansätzen. Die schauen nach dem Wetter, den Sternen, den Lebensbedingungen der Tiere, der Ernährung. Das ist halt am nachhaltigsten.
 
WZ: Leben Sie denn Bio?
 
Zu Hause habe ich 18 Hühner in eigener Haltung. Ich liebe festkochende Kartoffelsorten, wie Princess, Selma, Nicola, Laura und andere. Selbst baue ich leider keine Kartoffeln an, habe aber meine Bauern von denen ich diese Kartoffeln bekomme, alle vom richtigen Boden mit dem richtigen Geschmack!
 
Ich denke auch, da haben wir viel Luft nach oben in der Wertschätzung von Tieren und Nahrungsmitteln.
Ein Huhn zu schlachten kostet gerade mal 15 Cent pro kg Schlachtgewicht. Ein Huhn hat ca. 1,8 kg Lebendgewicht, also kostet das Huhn zwischen 23 und 28 Cent. Das ist doch alleine dem Tier gegenüber nicht fair.
So zieht sich das durch die ganzen Lebensmittel. Die Discounter haben frische Lebensmittel, die zum Teil monatelang halten, das geht doch gar nicht.
 
WZ: Essen ist uns wohl nichts wert.
 
Ist doch erstaunlich, für Lebensmittel geben die Deutschen kein Geld aus. Aber für Nahrungsergänzungsmittel, für Diäten und medizinische Anwendungen werden Millionen ausgegeben. Warum, weil Sie sich falsch ernährt haben. Das wäre nicht notwendig, wenn sich alle im Vorfeld richtig ernähren würden.
 
WZ: Sie sind Senator im Senat der Wirtschaft Deutschland. Welche Aufgaben nehmen Sie dort wahr?
 
Nennt sich Kommission für Ernährung und Nachhaltigkeit, darin bin ich Mitglied und arbeite mit bei Ernährung und Gesundheit.
Dazu bin ich im Aufsichtsrat der BÄKO, dem Einkaufsverband für Bäcker und Konditoren. Wir sorgen dafür, dass unsere Mitgliedsbetriebe zu vernünftigen Konditionen gute Rohstoffe einkaufen können. Ich arbeite seit 20 Jahren mit meinen Lieferanten zusammen.
 
WZ: Vom Ipf aus sind Sie aber auch in die große, weite Welt gezogen…
Ja, wir machen fast 20 Prozent Umsatz mit der gehobenen Gastronomie. Wir beliefern Sterneköche, allen voran Alfons Schuhbeck aber auch das Hotel „Bayerischer Hof“ in München, das „Taschenbergpalais“ in Dresden, das „Kempinski“ in Heiligendamm, Schloss Berg, …und die Spieler des FC Bayern bekommen unser Brot. Vermutlich spielen die deshalb seit Jahren so erfolgreich! (grinst)
 
WZ: Das soll´s schon gewesen sein…
 
Stimmt, der weiteste Kunde ist das Ritz Carlton in Hongkong, aber auch der Hoflieferant des englischen Königshauses, Donald Russel bezieht Brot von Mack. Besonders stolz bin ich aber darauf, dass wir auch die Schweizer Garde im Vatikan beliefern dürfen. Die bekommen Buttercroissants.
 
WZ: Sie persönlich sind aber immer der Ostalb treu geblieben.
 
Heimat ist immer dort, wo man sich wohlfühlt und gut aufgehoben ist. Ich liebe die alten Werte, Höflichkeit, Ehrlichkeit und Freundlichkeit.
 
WZ: Was kochen Sie so?
 
Zucchini-Puffer mit Tomatensalat, Grillhähnchen vom Holzofengrill mit Honig und Senfsoße. Gefüllten Kapaun mit Aprikosen und Walnüssen. Das ist natürlich nur ein kleiner Auszug. Meine Frau sagt, wenn ich nicht Bäcker geworden wäre, dann wäre ich bestimmt Sternekoch geworden.
 
WZ: Naschen Sie gerne?
 
Ich habe viel Lebenserotik, ich genieße das Leben, bin meistens gut drauf und liebe essen und trinken. Sieht man das nicht…? (schmunzelt zufrieden)

Foto: privat

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