WochenZeitung Altmühlfranken, Gunzenhausen, Hensoltshöher Abend, Vishal Mangalwadi

Schafft der Westen sich selbst ab?

GUNZENHAUSEN (RED). „Schafft der Westen sich selbst ab?“: Das wollte Prof. Dr. Vishal Mangalwadi wissen, der Referent des jüngsten Hensoltshöher Abends. Wie die Resonanz der Besucherinnen und Besucher, die aus Gunzenhausen und der weiteren Umgebung kamen, zeigte, ist das eine Frage, die nicht wenige Menschen beschäftigt.

Zu Beginn des Vortragsabends erläuterte der Leiter des Geistlichen Zentrums Hensoltshöhe, Pfarrer Dr. Markus Steinhilber, wie es zu der pointierten Formulierung des Titels gekommen ist: Wie er ausführte, können zugespitzte Themen dabei helfen, Gewohntes zu hinterfragen und so zu neuen Erkenntnissen zu kommen.

In seinem Vortrag konzentrierte sich Mangalwadi stark auf die Bibel und ihren Einfluss auf die Kultur und die Entwicklung der westlichen Länder. Sein 2011 zuerst erschienenes Buch (2014 auf Deutsch) zeigt mit seinem Titel bereits die Richtung seiner Argumentation: „Das Buch der Mitte. Wie wir wurden, was wir sind: Die Bibel als Herzstück der westlichen Kultur“. Die Bibel sieht er folgerichtig als die Kraft an, die den modernen Westen erschaffen hat und die ihn im Kern ausmacht. Mangalwadi hat Philosophie studiert und sich in Indien politisch engagiert. Heute ist er ein gefragter Vortragsredner und Autor, der weltweit unterwegs ist.

Seine These illustrierte er anhand einiger Beispiele. Sowohl in England wie in Deutschland sei die Übersetzung der Bibel in die Volkssprache der Katalysator dafür gewesen, dass diese sich zu einer Schrift- und Literatursprache entwickeln konnte. Die intellektuelle Macht über das Wissen, die zuvor vor allem bei den Priestern lag, ist so demokratisiert worden: Die Kenntnis der lateinischen Sprache war nun nicht mehr zwingende Voraussetzung, um an den wichtigen Debatten der Zeit teilhaben zu können. Die Wittenberger Bibelübersetzung ist deshalb nicht ein lokal begrenztes Ereignis, sondern vielmehr die Ursache für eine umfassende kulturelle Veränderung, die das Gebiet des heutigen Deutschlands ergriffen hat. Diese Einflüsse der Bibel auf die Sprache stellt Mangalwadi sogar für Indien fest, wo sie, mit Ausnahme des Sanskrits, als „Sprachschöpferin“ zu bezeichnen ist.

Diese umfassende Wirkung der Bibelübersetzungen hat bewirkt, dass die Volkssprache auf vielen verschiedenen Ebenen Einzug halten konnte: Als Medium an den Universitäten und den Schulen, für Rechtsgeschäfte und Regierungen.

Die Wirkung ist allerdings noch viel tiefgreifender, als es zunächst den Anschein hat. Ein Wort selbst besitzt keinen Eigenwert für sich. Erst der kulturelle Kontext legt fest, was ein Sprecher mit der Verwendung eines bestimmten Wortes meint. So konstatierte der Referent, dass die Bibel definiert, was mit Begriffen wie „Vater“, „Familie“ oder „Gerechtigkeit“ bezeichnet wird. Was sich etwa hinter dem Substantiv „Vater“ verbirgt, kann das in der Bibel überlieferte Vaterunser sehr gut aufzeigen: Demgemäß ist ein Vater ein Mensch, der Verantwortung zeigt und der für seine Familie eintritt. Die intellektuellen und politischen Eliten unserer heutigen Zeit hätten sich allerdings von der Bibel entfernt, wie er bemängelt. Deshalb sei ihnen eine biblische Deutung des Begriffes „Vater“ nicht mehr möglich. Eine andere Deutung des Begriffes sei deshalb an die Stelle der an die Bibel gebundenen Interpretation getreten. Aus dieser Perspektive kann ein Vater etwa einfach die Person sein, die zusammen mit einer Frau ein Kind zeugt, genauso wie bei anderen Säugetieren auch. Eine an der Biologie orientierte Sicht hat also die ursprüngliche Bedeutung in der öffentlichen Diskussion abgelöst. Da damit die Bindung an das gleichermaßen biblisch beeinflusste Konzept der Familie nicht mehr gegeben sei, sind Konflikte programmiert, wie er schlussfolgerte.

Auf den ganzen Westen bezogen und historisch interpretiert, sieht der Referent die Bibel hinter der einzigartigen Institution der Ehe, die so nur im Westen entstanden sei: Polygamie oder die Ehescheidung seien in praktisch jeder Kultur erlaubt, wie er ausführte, die Forderung an den Ehemann aber, seine Frau zu lieben, sei eine westliche Besonderheit, die durch die Bibel entstanden sei. Zum westlichen Eheverständnis gehört ferner, dass ein Mann und eine Frau sich lebenslang exklusiv aneinander binden, wie er ergänzte. Als England im 18. Jahrhundert die unmittelbare koloniale Vorherrschaft über Indien erlangte, seien indische Philosophen tatsächlich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass dieses westlich-biblische Eheverständnis eine Ursache für die Kraft westlicher Länder ist. Folglich erschien es ihnen konsequent, dass das kleine England den viel größeren Subkontinent unterwerfen konnte. Mangalwadi hinterfragte, ob der Westen davon abgerückt sei und stärker auf individuelle Selbstverwirklichung Wert lege. Träfe dies zu, stehe er tatsächlich in der Gefahr, sich selbst abzuschaffen, lautete sein Fazit.

Zum Abschluss seines Vortrages verharrte Mangalwadi jedoch nicht im Pessimismus, der durch seine Diagnose leicht aufkommen könnte. Er vertrat vielmehr die Ansicht, dass es Zeit für eine neue Reformation sei. So, wie die unter anderem durch Martin Luther vor über 500 Jahren angestoßenen Entwicklungen sich segensreich ausgewirkt hätten, so sei auch heute eine Erneuerung des Westens durch eine Rückbesinnung auf die Bibel – und damit auf seine Grundlagen – möglich.

Bildunterschrift: Das Bild zeigt den Referenten Prof. Dr. Vishal Mangalwadi (re.) beim Hensoltshöher Abend mit einem Übersetzer (li.). Foto: Timotheus Hübner

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