STAUfrei-Projekt im Klinikum Heidenheim und im Landkreis – bundesweiter Blick auf das Projekt / mittelfristig Evaluierung der Ergebnisse in die Regelversorgung

STAUfrei-Projekt im Klinikum Heidenheim und im Landkreis Heidenheim
geht in sechsmonatige Vorbereitungsphase.

Heidenheim(pm). Zu Beginn des Monats Oktober 2018 ist die sogenannte Projekttestphase des Heidenheimer STAUFREI-Projektes angelaufen. STAUfrei steht für Prästationäre Detektion und Sanierung zur Vermeidung von STaphylococcus AUreus Infektionen bei geplanten Eingriffen. Die Projektvorbereitung ist weit fortgeschritten, so konnte die „Arztpraxenrekrutierung“ vollzogen, die organisatorischen Rahmenbedingungen konkretisiert, der Umfang des sogenannten Keim-Sanierungssets beschrieben werden und vieles mehr. Mit einer Handvoll Pretest-Praxen sollen nun die Abläufe für den Routinebetreib getestet und, wo notwendig, gegebenenfalls nachjustiert werden. Hierzu ist auch ab Januar 2019 ein „Dummy Run“ vorgesehen, bei dem bis zu zehn Patienten mit Keimnachweis in den realen Projektablauf eingebunden werden. Am 1. April 2019 soll dann der zweijährige „Regelbetrieb“ starten, dem dann eine mehrmonatige Evaluationsphase folgen wird.

Postoperative Wundinfektionen können häufige Komplikation bei operativen Eingriffen darstellen. Staphylokokkus aureus ist ein sehr häufig vorkommender „normaler“ Hautkeim, der allerdings bei Eindringen ins Körperinnere schwere Infektionen auslösen kann. Viele der Wundinfektionen werden vom Staphylococcus aureus verursacht, der in seiner sensitiven Form bei bis zu 30 % der Bevölkerung vorhanden ist. Der gegen Methicillin (ein Antibiotikum) resistente Staphylococcus aureus (MRSA) tritt zwar deutlich seltener auf, ist jedoch schwerer behandelbar. Für Krankenhauspatienten stellen diese beiden Keime ein erhöhtes Risiko dar. Die meisten dieser Keime werden von Menschen von außen in Krankenhäuser hineingebracht. Deshalb ist es sinnvoll, Patienten bereits vor einem stationären Aufenthalt darauf zu testen und bei einem Fund, davon außerhalb des sensiblen Krankenhausbereichs, zu befreien.

Bei Patienten, die für einen geplanten operativen Eingriff in ein Krankenhaus kommen, kann durch eine gezielte Maßnahme die Keimlast bereits vorab reduziert, im Optimalfall eliminiert werden, was wiederum die Sicherheit aller Patienten eines Krankenhauses erhöhen würde. Deshalb sollen die die Patienten, denen ein geplanter Eingriff im Klinikum Heidenheim bevorsteht, vor dem Eingriff von ihrem behandelnden Arzt auf den Bakterienstamm Staphylococcus aureus getestet werden. Im Rahmen des STAUfrei-Projektes sollen nun nicht nur Risiko-Patienten, sondern alle Patienten, die hierher zu einem Eingriff kommen, auf das Vorhandensein von Staphylokokken untersucht werden.

Expertise des Klinikums Heidenheim

Durch die bisherigen Bemühungen in der generellen Infektionspräventionsstrategie ist das Klinikum Heidenheim mit seinen umfangreichen Aktivitäten über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt. Zudem kann das Klinikum seit nahezu zehn Jahren auf umfangreiche und ständig erweiterte Expertisen auf dem Gebiet der Keimprävention zurückgreifen und verfügt somit über sehr gute Voraussetzungen für die Erreichung des Projektziels – eine generelle Infektionspräventionsstrategie über die Landkreisgrenzen hinaus. Seit 2009 besteht das Heidenheimer MRE-Netzwerk (MRE: Multiresistente Erreger). Dies bildet eine hervorragende Voraussetzung für eine kommunikative, effiziente und letztlich für die Patienten zielführende Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum Heidenheim und beispielsweise allen hiesigen Nachsorgeeinrichtungen.

Förderung und Evaluation

Das Projekt STAUfrei steht für prästationäre Detektion und Sanierung zur Vermeidung von STaphylococcus AUreus Infektionen bei geplanten Eingriffen. Es ist ein vom Innovationsfonds mit ca. 2,8 Millionen Euro gefördertes Forschungsprojekt, das im Landkreis Heidenheim und im Klinikum Heidenheim durchgeführt wird. Die Laufzeit von STAUfrei beträgt insgesamt drei Jahre. Der Innovationsfonds fördert seit 2016 Forschungsprojekte, in denen Programme zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung erprobt werden sollen. Gefördert werden Projekte, die das Potential haben, nach erfolgreichem Abschluss auch in die Regelversorgung überführt zu werden.

Bis zum Ende des Heidenheimer Projektes werden die Effekte auf die Infektionsraten im Landkreis Heidenheim gemessen. Dabei wird auch ausgewertet, wie viele zusätzliche Kosten und welche Kosteneinsparungen entstehen. Die Annahme ist, dass sich die Anzahl der Übertragungen in der Klinik reduziert und so weniger Wundinfektionen auftreten. Basierend auf dieser Evaluation bewertet der Gemeinsame Bundesausschuss in Berlin, ob das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden soll und alle Patienten deutschlandweit von den zusätzlichen Leistungen profitieren können.

Konkrete Maßnahmen

Mehr als 50 Arztpraxen aus der Kreisärzteschaft Heidenheim werden bei dem Projekt mitmachen. Damit wird das Ziel erreicht, knapp 12.000 Patienten (und damit über 90% der vorgegebenen Zahl von 13.000 Patienten) innerhalb eines Zweijahreszeitraums in das Projekt einzubinden. Aber auch Patienten aus Praxen, die sich nicht am Projekt beteiligen, bleiben nicht außen vor. Sollte ihnen ein stationärer Aufenthalt bevorstehen, wird der Test im Klinikum Heidenheim durchgeführt und vor hier erhalten sie alle weiteren Schulungsmaßnahmen und Dekontaminationsmittel.

Innerhalb der projektbeteiligten Arztpraxen werden speziell geschulte Praxismitarbeiterinnen die Aufklärung und Einführung der Patienten in die Dekontamination übernehmen. Bis Ende März 2019 werden dazu insgesamt rund 150 Praxismitarbeiterinnen an speziellen Link-Nurse-Schulungsmaßnahmen teilnehmen, um für ihre Arbeit vorbereitet zu sein. Sie werden über folgende Themenbereiche geschult: Staphylococcus aureus und multiresistenter Staphylococcus aureus, Keimsanierung, Hände- und Flächendesinfektion sowie klinischer Behandlungspfad vom Arzt-Patientengespräch in der Praxissprechstunde, über die Maßnahmen zur Keimreduzierung, bis zur abschließenden Kontrolluntersuchung mehrere Monate nach der Operation. Auch die beteiligten Ärzte durchlaufen eine Qualifizierungsmaßnahme mit anschließender Zertifizierung.

Wenn sich ein Patient als Keimträger herausstellt, wird er dazu angeleitet, sich vor der Krankenhausaufnahme mit Hilfe eines Desinfektionssets von dem Keim zu Hause zu sanieren. Diese Eradikationstherapie bei Patienten mit Keimbesiedlung erfolgt im Rahmen einer initialen fünftägigen Dekolonisation im häuslichen Umfeld. Zum Sanierungspaket gehören: Antibakterielle Waschlotion für Haare und Haut, antiseptische Mundspüllösung, antibakteriell wirksames Nasengel, alkoholisches Händedesinfektionsmittel, gebrauchsfertige Desinfektionstücher zur Schnelldesinfektion für Medizinprodukte in allen Bereichen wie Hörgeräte, Brillen. Gehhilfen und wischbaren Flächen aller Art, antibakteriell wirksame, gebrauchsfertige Waschhandschuhe / Waschtücher, antibakteriell wirksame, gebrauchsfertige Kopfwaschhaube, Einmalkämme, Einmalzahnbürsten, Deospray (Pump-Spray – kein Deo-Roller) sowie Dekolonisationsanleitung und Anschauungsmaterial. Im Falle des Nachweises einer multiresistenten Keimvariante wird das Set komplettiert um eine Mupirocin-Nasensalbe (Antibiotika zur Beseitigung von Staphylokokken aus der Nasenschleimhaut).

Für Patienten, die bei STAUfrei mitmachen, bedeutet dies: Sie erhalten zusätzliche medizinische Leistungen, die sie vor Infektionen schützen: Sie werden von ihrem behandelnden Arzt auf ein eventuelles Vorhandensein der Keime untersucht. Bei entsprechendem Nachweis werden sie durch die beschriebene gezielte Intervention ihre Keimlast mindestens reduzieren und gegebenenfalls sogar eine Keimfreiheit erreichen können. Außer der Durchführung der Desinfektionsmaßnahme müssen sie keinen zusätzlichen Aufwand betreiben und ihnen entstehen keine Kosten, da die anfallenden Kosten durch Mittel aus dem Innovationsfonds finanziert werden. Die Patienten erhalten zudem einen sogenannten Patientenpass mit allen relevanten Keim-Informationen, in dem auch ihr Status eingetragen wird.

Beteiligte Partner

STAUfrei ist ein intersektorales Projekt. Das bedeutet, dass alle an der Patientenversorgung beteiligten Sektoren am Projekt beteiligt sind. Da es sich um ein Forschungsprojekt handelt, sind auch universitäre Einrichtungen beteiligt, die den Erfolg der Maßnahmen wissenschaftlich messen und auswerten. Zudem unterstützen Krankenkassen das Projekt. Die Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH ist Konsortialführer und koordiniert das gesamte Projekt. Zu den geförderten Projektpartnern (Konsortialpartner) gehören: Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH, AOK Baden-Württemberg, BKK Landesverband Süd, Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg, Landratsamt Heidenheim – Fachbereich Gesundheit, Steinbeis Hochschule Berlin GmbH Stiftungslehrstuhl Gesundheitsökonomie, Universitätsklinikum Tübingen – Institut für Allgemeinmedizin und interprofessionelle Versorgung sowie Universitätsklinikum Tübingen – Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene. Zu den weiteren kooperierenden Projektpartnern, ohne Förderung, gehören IKK Classic, Knappschaft, SVLFG (Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau), Kreisärzteschaft Heidenheim, Deutsches Rotes Kreuz Heidenheim gGmbH sowie Ökumenische Sozialstation Heidenheimer Land. Der Projektaufwand der niedergelassenen Ärzte wird durch die Krankenkassen übernommen.

 

 

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