Woche der Brüderlichkeit Ansbach

Tu deinen Mund auf für die Anderen

ANSBACH(ASC). „Tu deinen Mund auf für die Anderen“ lautet das Motto der diesjährigen Woche der Brüderlichkeit, die mit diversen Kulturveranstaltungen zur Förderung des christlich-jüdischen Dialogs noch bis 15. März aufwartet. Dekan Hans Stiegler oblag die festliche Eröffnung in der Karlshalle, wo er über die Bedeutung des Judentums und Israels aus theologischer und persönlicher Sicht referierte.

Als Vertreter der Stadt wohnte Dr. Christian Schoen, stellvertretender Bürgermeister, dem Eröffnungsabend bei. In seinem Grußwort betonte er, dass das diesjährige Motto „Tu deinen Mund auf für die Anderen“ als Leitsatz heute notwendiger denn je sei. Rassismus und Antisemitismus scheinen, so Dr. Schoen, so salonfähig geworden zu sein, als hätte es den Holocaust nie gegeben. Man möge seine Stimme für diejenigen erheben, die sich nicht mehr äußern können, weil sie Opfer politisch, antisemitisch oder rassistisch motivierter Gewalt wurden. Die Woche der Brüderlichkeit solle deshalb alle stärken, die Zivilcourage zeigen und sich für ihre Mitmenschen einsetzen.
Pfarrer Dr. Johannes Wachowski erinnerte an die Schrecken des 9. Oktobers vergangenen Jahres, als ein Mann versuchte am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, in die Synagoge in Halle einzudringen, um einen Massenmord zu begehen. Man müsse den Mund aufmachen, damit die Gerechtigkeit sich durchsetze, die Demokratie bewahrt bleibe und Europa ein Europa für alle werde, forderte er.
Jüngst von seiner Israelreise zurückgekehrt, sprach Dekan Hans Stiegler zum Thema „Was das Judentum und Israel mir theologisch und persönlich bedeuten“. Das Judentum sei, so Stiegler, die Wurzel, der Stamm eines Ölbaums, in den das Christentum als Zweig eingepfropft wurde, so wie im Brief des Paulus an die Römer. Das Alte Testament sei grundlegend für unseren Glauben und werde nicht durch das Neue abgelöst, genauso wenig wie Gottes Treue zum jüdischen Volk durch seine Treue zum christlichen ersetzt wurde, wie es fälschlicherweise lange Zeit von der Kirche gepredigt worden war. „Dieser Irrlehre ist mit aller Kraft und Deutlichkeit entgegenzutreten“, betonte der Dekan. Sie sei auch Grund gewesen, dass die Shoa mit sechs Millionen ermordeten Juden möglich war. Gerade deshalb sei Stiegler dankbar, 2011 als Mitglied der Landessynode die Entscheidung mitgetragen zu haben, die Verbindung zwischen Christen und Juden in der Präambel der ELKB zu verankern. „Antisemitismus ist eine Sünde gegen Gott und die Menschen, der wir uns mit allen Kräften entgegenstellen müssen.“
Um auf die Bedeutung des Staates Israels einzugehen, holte Stiegler weiter aus und blickte zurück auf die Anfänge der jüdischen Diaspora. Seit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die Römer 70 n. Chr., hatten Juden kein eigenes Land mehr. Eine Rückkehr in die historische Heimat blieb für viele Juden jedoch ein Herzenswunsch. Im 19. Jahrhundert gründete sich die zionistische Bewegung, deren Entwicklung durch die Nationalsozialisten zerstört wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden zwei Drittel der damaligen UN-Mitgliedstaaten, das britische Mandatsgebiet Palästina zu teilen. (Unmittelbar begann der erste arabisch-israelische Krieg.) Damit hatte das jüdische Volk 1948 nach über 1.878 Jahren mit der Gründung des Staates Israel erstmals wieder eine gemeinsame Heimat. Diese Freude eines Volkes, das wieder ein Land hat, teile er, erklärte Stiegler und weiter: „Dieses Land sehnt sich nach Frieden.“
Sein Referat beendete er mit einem Bericht seiner Israelreise. Dort traf er auf zwei gleichaltrige Männer, einen Rabbi und einen Iman, deren Dörfer eine blutige Geschichte mit vielen Opfern verbindet. Diese Männer hätten sich zusammengesetzt und es geschafft, dass aus der blutigen Nachbarschaft zweier Dörfer gelebte Freundschaft wird.
Mit eindrucksvoller Virtuosität am Klavier umrahmte Acar Kraut die Veranstaltung musikalisch.

Foto: Dekan Hans Stiegler referierte in der Ansbacher Karlshalle zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit über das Thema „Was das Judentum und Israel mir theologisch und persönlich bedeuten“. Foto: Anika Schildbach

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