WochenZeitung Altmühlfranken, Nürnberg, 1. FCN

Vom Schuldenverwalter zum Visionär

Finanzvorstand Michael Meeske erlebte über drei Jahre hinweg eine intensive Zeit beim Club

NÜRNBERG (RED). Ende Oktober musste der 1. FC Nürnberg einen schweren Verlust verschmerzen: Der bisherige kaufmännische Vorstand Michael Meeske wechselte aus privaten Gründen zum VfL Wolfsburg, der schon lange vorher seine Fühler nach dem Finanzfachmann ausgestreckt hatte. Die jüngste Jahreshauptversammlung war einer der letzten öffentlichen Auftritte von Meeske, der sein Betätigungsfeld nun in die Hände von Niels Rossow gibt.

„Ich werde den 1. FC Nürnberg immer im Herzen tragen“, sagte Meeske zum Abschied. Vorwiegend familiäre Gründe – seine Frau wohnt mit den Kindern in Hamburg – hätten den Ausschlag für diesen überraschenden Wechsel ergeben. Eine paar Euro mehr wird es beim finanzstarken Bundesligisten in der Autostadt darüber hinaus geben. Trotzdem verlief der Wechsel jetzt ganz unspektakulär. Mehr Wirbel hatte da schon Meeskes Installation zum 1. September 2015 verursacht. Dem war die Absetzung seines Vorgängers Ralf Woy – ebenfalls ein Hamburger – vorausgegangen. Der „seriöse hanseatische Kaufmann“ soll dieser Woy nicht gerade gewesen sein, wie hinter vorgehaltener Hand immer noch getuschelt wird. Unlautere Machenschaften werden ihm mitunter unterstellt. Hinzu kam, dass er für die Rückzahlung einer mehrjährigen Fan-Anleihe keine Rückstellungen im Finanzkonstrukt des Clubs eingeplant hatte. Mit rund sechs Millionen Euro hatte der Verein auch mit Hilfe der finanziellen Fan-Unterstützung ein Funktionsgebäude mit Nachwuchsleistungszentrum am Valznerweiher verwirklicht. So kam es zur Trennung von Woy, dessen Amt und Aufgaben zunächst von Dr. Mario Hamm kommissarisch weitergeführt worden waren. Die Lizenzerteilung nach dem Abstieg im Jahre 2014 hing damals am seidenen Faden. Bald konnte der Aufsichtsrat des Clubs den anerkannten Finanzexperten Meeske aber vom Zweitligisten FC St. Pauli loseisen, wo er deutliche Spuren hinterlassen hatte. Dort war er ein Jahrzehnt lang als kaufmännischer Geschäftsführer tätig gewesen. Seine Verbindungen zum Fußball reichen aber noch viel weiter zurück, war der zweifache Familienvater doch vom 1. Mai 2002 bis 30. November 2004 Direktor für Marketing und Vertrieb beim SV Hannover 96 gewesen. Seine berufliche Laufbahn startete der diplomierte Sozialökonom 1998 bei der Strategieberatung „Kompass“, ehe er im Jahre 2000 zur „Sportwelt Beteiligungsgesellschaft“ wechselte.

Seine Verpflichtung war ein Glücksgriff

Im Sommer 2015 schlingerte das Club-Schiff sowohl sportlich als auch finanziell stark angeschlagen durch die 2. Bundesliga. Das war es für den Aufsichtsrat um seinen Vorsitzenden Dr. Thomas Grethlein ein glückliches Händchen, wie die Verpflichtung von Meeske- gelinde ausgedrückt – umschrieben werden kann. Als gleichberechtigter Finanzvorstand neben dem für den Sport zuständigen Andreas Bornemann – er kam kurze Zeit später zum Club – führten beide im Verbund den Verein mit Weitsicht, Kompetenz und Kontinuität durch das unruhige Fahrwasser der zweiten Liga. Immer noch und jahrelang hing über dem eingetragenen Verein das Damoklesschwert eines möglichen Abstiegs in die Drittklassigkeit; ebenso wie das Dasein vor dem Hintergrund eines finanziellen Drahtseilaktes. Mit Bedacht und Finesse schaffte es Meeske aber, die Liquididät des Vereins zu verbessern und den Transferdruck allmählich abzubauen. Die Schulden allerdings häuften sich wegen zahlreicher Altlasten bis 2017 zunächst weiter an; bis auf rund 21 Millionen Euro. Die Vorgänger Ralf Woy und Martin Bader waren nach dem Abstieg 2014 zu sehr ins Risiko gegangen und wollten die schnelle Rückkehr in die Bundesliga mit Gewalt (und hohem finanziellen Aufwand) realisieren. Schnell war klar, dass dieses Unterfangen nach dem Austausch einer fast kompletten Mannschaft, krachend scheitern würde. Beide waren deshalb ihren Job in der Noris schnell losgeworden. Als Folge der finanziellen Schieflage musste der Club in der 2. Bundesliga Jahr für Jahr seine besten Pferde im Stall gegen gutes Geld loswerden, um das finanzielle Überleben zu sichern. Andererseits bestand die Gefahr des sportlichen Ausblutens. Der Ipsheimer Niklas Stark (für drei Millionen Euro zu Hertha BSC Berlin) und der Österreicher Alessandro Schöpf (für mehr als fünf Millionen Euro zu Schalke 04) waren die ersten, die der finanziellen Konsolidierung geopfert wurden. Trotzdem schaffte es der Club im Sommer 2016 bis in die Relegation gegen Eintracht Frankfurt, wo man knapp gescheitert war. Niclas Füllkrug ging daraufhin für 2,2 Millionen Euro zu seinem Heimatverein Hannover 96 und im Winter folgte ihm Torjäger Guido Burgstaller in die Bundesliga; wiederum zum FC Schalke 04. Derart ausgeblutet kam die Mannschaft in der Saison 2016/17 sportlich nicht auf die Beine; ein Abstieg in die 3. Bundesliga konnte nur mit Mühe abgewendet werden. Für den glück- und glanzlosen Trainer Alois Schwartz wurde im Frühjahr 2017 der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und U21-Trainer Michael Köllner mit der sportlichen Leitung betraut. Er hielt den Verein zumindest in der Zweitklassigkeit; verlor aber zu Beginn der neuen Saison mit dem abwanderungswilligen Abdelhamid Sabiri (für 1,8 Millionen zum englischen Erstligaaufsteiger Huddersfield Town) ein weiteres aufstrebendes Talent aus dem eigenen Nachwuchs. Mit diesen fünf Vereinswechseln war der größte Transferdruck erstmal vom Kessel genommen. Trotzdem verließen bis zur Winterpause 2017/18 mit Patrick Kammerbauer (für 350.000 Euro zum SC Freiburg) und Cedric Teuchert (für eine Million Euro abermals zu den Gelsenkirchenern) zwei weitere hoffnungsvolle Nachwuchsspieler den Verein. Trotz dieses immensen Aderlasses schaffte es Trainer Michael Köllner im Zusammenwirken mit den beiden Vorständen Bornemann und Meeske, den Verein nicht nur wirtschaftlich zu konsolidieren, sondern ganz nebenbei auch noch den nicht für möglich gehaltenen und völlig unerwarteten Aufstieg in das deutsche Fußball-Oberhaus zu realisieren. Meeske hatte die finanzielle und Bornemann die sportliche Grundlage dafür geschaffen. Im Rückblick gleicht es einem Wunder, unter diesen miserablen Voraussetzungen die Rückkehr in die Erstklassigkeit geschafft zu haben.

Vom Schuldenverwalter zum Visionär

Meeskes Hauptaugenmerk beim Club lag auf den Bereichen Verwaltung und Finanzen, Marketing sowie Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei wurde seine offene, kreative und teamorientierte Persönlichkeit gelobt, die „auch auf Nuancen achtet und sehr akribisch denkt und arbeitet“, wie Aufsichtsratvorsitzender Dr. Thomas Grethlein betonte. Der gebürtige Oldenburger war darüber hinaus vom 1. September 2016 bis 12. Oktober 2018 Vorstandsmitglied der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Vom anfänglichen Schuldenverwalter mutierte er beim Club schnell zum Pragmatiker und sogar Visionär. Eines seiner schwierigsten Unterfangen war es dabei auch, eine Verbesserung der Beziehungen zur regionalen Wirtschaft herzustellen. Gerade hier war in der Vergangenheit von seinen Vorgängern viel Porzellan zerschlagen worden. Mit Akribie und Beharrlichkeit verhalf er dem Club zu einer positiveren Wahrnehmung in der Region, sei es bei den Fans, in der Öffentlichkeit oder auch auf wirtschaftlichem Sektor. Die Gewinnung der „Nürnberger Versicherung“ als Hauptsponsor war dafür ein deutlicher Fingerzeig. Ein weiteres Ziel, die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Hauptverein, hat er intensiv in die Wege geleitet und legte die Basis für deren Vollzug. Weil noch Geldgeber fehlen, konnte die Mitgliederversammlung über dieses Vorhaben noch nicht votieren. Wenige Monate vor seinem Abschied trat Meeske sogar als Visionär in Erscheinung, brachte er doch einen Verkauf des Vereinsgeländes am Valznerweiher ins Gespräch und einen damit verbundenen Umzug in unmittelbarer Nähe des Max-Morlock-Stadions. Durch dieses Vorhaben könnte für den Verein ein erkleckliches Sümmchen abfallen, welches als Grundlage für ein dauerhaftes Verbleiben in der Bundesliga ein wichtiges Fundament sein könnte. Aber mehr als eine Überlegung ist daraus bisher noch nicht geworden. Ende Oktober nun wurde der Finanzvorstand intern verabschiedet, nachdem er seinen Nachfolger Niels Rossow noch in die laufenden Geschäfte eingewiesen hatte. Bei der jüngsten Mitgliederversammlung erhielt Meeske nicht nur einen Blumenstrauß und warme Worte, sondern auch den stehenden Applaus der über 1000 anwesenden Mitglieder, die ein feines Gespür dafür haben, wer sich für ihren Club verdient gemacht hat. „Das war schon ein bewegender Augenblick und auch eine große Anerkennung für die geleistete Arbeit beim Club“, meinte Meeske hinterher. Und er schob nach: „Die Bilder vom Mai dieses Jahres, als wir nach dem Sandhausen-Spiel auf dem Balkon standen, werde ich nie wieder vergessen. Das war schon Gänsehaut pur. Der FCN ist ein sehr beeindruckender Verein, der mich nicht nur rational, sondern auch emotional erreicht hat. Deswegen wird ein Stück meines Herzens immer für den Club reserviert sein“, verriet der scheidende Funktionär am Ende der BILD-Zeitung. Aber auch sonst hat ihn die Zeit in Franken verändert: Er hat das Bier trinken wieder für sich entdeckt und isst jetzt plötzlich „Schäufele“; ein Gericht, das er zuvor gar nicht kannte. Er nimmt aber auch die Herzlichkeit der Franken mit in den hohen Norden, deren emotionale Anteilnahme am Club ihn sehr beeindruckt hat: „Von den spröden Franken, wie mir vorher oft in Hamburg gesagt wurde, konnte überhaupt keine Rede sein“, so Michael Meeske kurz vor Ende seines Engagements beim 1. FC Nürnberg in den letzten Oktoberwochen. Wünschen wir ihm denselben beruflichen Erfolg in der Autostadt Wolfsburg und dass er so bleibt, wie er ist und war. Den 1. FCN wird er auch in Zukunft nicht ganz loswerden, haben doch seine Kinder eine enge Verbundenheit bis hin zum Fan-Sein für den größten und erfolgreichsten Verein des Frankenlandes aufgebaut. Irgendwann zieht der Club eben jeden in seinen Bann und von diesem Virus kommt man dann nicht mehr los: Einmal Club – immer Club!

Bildunterschrift: Die jüngste Mitgliederversammlung erlebte die Amtsübergabe an seinen Nachfolger Niels Rossow (rechts), der vorher bei adidas war. Foto: Heinz Meyer

  • Wochenzeitung - Werbung - Hier könnte Ihre Werbung stehen

Ähnliche Beiträge

InterFranken: Gewinner des Wettbewerbs „Wasserstoffregionen in Deutschland“
Freizeit Messe Nürnberg 2020
Gedenkstein, Denkmal, 1. FCN, Nürnberg, Leutershausen, Baugeschäft Mohr, Stein Hanel
Stein Hanel fertigt Gedenkstein für den „Club“