Bücherfans und ihre Lieblingstitel des Bücherherbstes:

von | 12. November 2024 | Altmühlfranken, Gunzenhausen

Beim Literaturcafé in der Stadt- und Schulbücherei Gunzenhausen gab es persönliche Leseempfehlungen zu 20 Neuheiten von der Frankfurter Buchmesse

Bild­un­ter­schrift: Tina Ellin­ger; Foto: Stadt Gunzenhausen/Nik Bau­mann

Gun­zen­hau­sen (red). Bis auf den letz­ten Platz war dies­mal die gemüt­li­che Buch­vor­stel­lungs-Run­de beim Lite­ra­tur­ca­fé in der Stadt- und Schul­bü­che­rei Gun­zen­hau­sen besetzt. Kurz nach der Buch­mes­se in Frank­furt gab es warm­her­zi­ge Emp­feh­lun­gen, aber auch kri­ti­sche Stim­men zu 20 Neu­erschei­nun­gen. Beson­de­res Gast war der Autor André Eka­ma, der sein Buch „Schwar­zer sein im wei­ßen Him­mel“ vor­stell­te. In sei­nen Büchern befasst sich der seit lan­ger Zeit in Deutsch­land und seit eini­gen Jah­ren in Gun­zen­hau­sen leben­de Autor mit vie­len Facet­ten des Migran­ten-Seins. Sei­ne Tex­te sei­en nicht bio­gra­fisch im enge­ren Sinn, erläu­ter­te Eka­ma, aber eige­ne Erfah­run­gen wür­den ver­ar­bei­tet.

Gast­land der Buch­mes­se war dies­mal Ita­li­en und auch beim Lite­ra­tur­ca­fé kam mit Raf­fa­el­la Roma­gno­lo eine ita­lie­ni­sche Autorin zum Zug. Mel­e­na Ren­ner hat­te den neu­en Roman „Die Ster­ne ord­nen“ aus­ge­wählt, in dem eine jun­ge Leh­re­rin in der Nach­kriegs­zeit sich beson­ders um eine ihrer Schü­le­rin­nen küm­mert: Was hat die klei­ne Fran­ce­s­ca wohl im Krieg erlebt, dass sie nicht mehr spre­chen will? Die enga­gier­te Leh­re­rin auf der Suche nach dem Geheim­nis ihrer Schü­le­rin steht im Mit­tel­punkt der Roman­hand­lung, doch man erfährt auch von der faschis­ti­schen Ver­gan­gen­heit Ita­li­ens unter Mus­so­li­ni.

Ins Ber­lin der 1920er-Jah­re ent­führt der Roman „Reichs­kanz­ler­platz“ von Nina Bossong. Von mäch­ti­gen Män­nern und von einem sor­gen­frei­en Leben als Gat­tin eines ein­fluss­rei­chen Man­nes fas­zi­niert, hei­ra­tet Mag­da zunächst den Indus­tri­el­len Gün­ther Quandt. Nach der Schei­dung tritt sie 1930 in die NSDAP ein und wird im Jahr dar­auf die Ehe­frau von Joseph Goeb­bels. Als Lese­rin hät­te Moni­ka Wop­pe­rer sich ger­ne auf die Lebens­ge­schich­te der Mag­da Goeb­bels fokus­siert, doch im Roman rückt immer wie­der Mag­das jun­ger Freund Hans in den Fokus, der sei­ne Homo­se­xua­li­tät zu ver­ber­gen ver­sucht. Mag­da macht sich zur weib­li­chen Leit­fi­gur jener Poli­tik, die auf Men­schen wie Hans bald Jagd machen soll­ten.

Zum ers­ten Mal beim Lite­ra­tur­ca­fé war Simo­ne Wetz­stein, die eine enga­gier­te Emp­feh­lung für den bio­gra­fi­schen Roman „Gus­sie“ von Chris­toph Wort­berg aus­sprach. Hin­ter dem Titel-Kose­na­men steht die zwei­te Ehe­frau Kon­rad Ade­nau­ers Augus­te. Trotz des gro­ßen Alters­un­ter­schieds hei­ra­tet sie den dama­li­gen Köl­ner Bür­ger­meis­ter Kon­rad Ade­nau­er. Vier gemein­sa­me Kin­der zieht sie groß und ist auch eine für­sorg­li­che Stief­mut­ter für Ade­nau­ers drei Kin­der aus ers­ter Ehe. Sie geht mit ihrem Mann durch schwe­re Zei­ten – gera­de in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus.

In den Neben­stra­ßen des Lebens bewe­gen sich die bei­den Freun­de und Titel­fi­gu­ren des Romans „Leo­nard und Paul“, den die iri­sche Autorin Rónán Hes­si­on ver­fasst hat. Kers­tin Zels zeig­te sich in einer humor­voll vor­ge­tra­ge­nen Kri­tik nicht beson­ders begeis­tert vom geschil­der­ten All­tags­le­ben der bei­den aus ihrer Sicht all­zu unschein­ba­ren Prot­ago­nis­ten.

Von Tina Ellin­ger hin­ge­gen kam eine unbe­ding­te Emp­feh­lung für den zwei­ten iri­schen Roman auf der Aus­wahl­lis­te: In „Mit­ter­nachts­schwim­mer“ von Roi­sin Magui­re lernt man die rup­pi­ge, aber doch lie­bens­wer­te Grace ken­nen, die trotz ihrer rau­en Scha­le den rich­ti­gen Umgang mit dem bedrück­ten Evan und sei­nen tau­ben Sohn Luca fin­det.

„Haben Sie Kin­der?“ – Wie wenig harm­los die­se Fra­ge für Frau­en mit oder ohne Kin­der­wunsch in bestimm­ten Lebens­pha­sen sein kann, ver­ste­hen die Lese­rin­nen und Leser nach der Lek­tü­re des Romans von Jäckie Tho­mae „Glück“. Mari­an­ne Nata­lis emp­fahl die­sen Roman um zwei Frau­en um die 40, die sich dem Druck, den die „Kin­der­fra­ge“ aus­löst, schwer ent­zie­hen kön­nen.

Ein sehr empa­thi­sches Buch über die Fra­ge „Wie fin­det man sei­nen Weg im Leben“ hat Clai­re Lom­bar­do jüngst ver­öf­fent­licht und Mari­on Hin­de­rer hat­te es als unbe­ding­te Lite­ra­tur­ca­fé-Emp­feh­lung aus­ge­wählt. Im Mit­tel­punkt von „Genau so, wie es immer war“ stellt sich Julia, Ende 50, die Fra­ge, was sie noch vom Leben erwar­te. Dabei ist schein­bar doch alles bes­tens: eine glück­li­che Ehe, zwei erwach­se­ne Kin­der…

Der Ver­lags­lei­ter des renom­mier­ten Han­ser-Ver­lags Jo Lend­le hat auch noch Zeit fürs Roman­schrei­ben. In dem von Ulri­ke Fischer sehr emp­foh­le­nen Roman „Him­mels­rich­tun­gen“ steht die Flug­pio­nie­rin Ame­lia Ear­hart im Mit­tel­punkt. In Euro­pa ist die bei einer der gefähr­lichs­ten Etap­pen ihrer geplan­ten ers­ten Erd­um­run­dung ver­un­glück­te Pilo­tin weni­ger bekannt, in den USA gilt sie als Iko­ne der Frau­en­be­we­gung.

Ein erfolg­rei­cher islän­di­scher Thril­ler-Autor, der einen his­to­ri­schen Roman schreibt: Und auch das kann Arnal­dur Indriad­son sehr gut, befand Dag­mar Ben­der. Schau­platz des Romans ist Kopen­ha­gen im 18. Jahr­hun­dert. Der islän­di­sche Uhr­ma­cher Jon repa­riert im könig­li­chen Palast eine astro­no­mi­sche Uhr und eines Tages betritt der däni­sche König die Werk­statt. Man erfährt viel über das Leben der ein­fa­chen Leu­te im Island in frü­he­ren Zei­ten, so die Test­le­se­rin.

Ein von der eige­nen Lebens­ge­schich­te gepräg­tes Buch stell­te Zena Wiehn vor: In „Sei­net­we­gen“ begibt sich Zora Del Bru­no im Alter von 60 Jah­ren auf Spu­ren­su­che: Als sie acht Mona­te alt war, starb ihr Vater bei einem Unfall. Nun will sie den Unfall­ver­ur­sa­cher – sie nennt ihn „Tot­ma­cher“ – auf­su­chen. In klei­nen Epi­so­den und mit der Schil­de­rung von Begeg­nun­gen wird von die­ser Spu­ren­su­che erzählt.

Die Mode­ra­to­rin der Lite­ra­tur­run­de Babett Gut­h­mann hat­te noch vie­le wei­te­re Emp­feh­lun­gen auf der Lis­te, denn auch das Büche­rei­team war ver­tre­ten: Jür­gen Huber mit dem Sach­buch „Deutsch­land für Buch­ver­lieb­te“ und Nik Bau­mann mit dem fes­seln­den Roman­best­sel­ler „In den Far­ben des Dun­kels“ von Chris Whita­ker. Als beson­de­re Über­ra­schung stell­te Ulri­ke Zatsch­ker das neue vege­ta­ri­sche Koch­buch von Anne-Kat­rin Weber „Greens and Grains“ vor und hat­te als klei­ne Kost­pro­be Pes­to-Hörn­chen mit­ge­bracht.

Bild­un­ter­schrift: Autor André Eka­ma; Foto: Stadt Gunzenhausen/Nik Bau­mann