Der ewige Johann Reichardt – Gunzenhausens Goldmacher in der Retroperspektive

von | 8. Dezember 2023 | Altmühlfranken, Gunzenhausen

Gun­zen­hau­sen (red). Ohne Zwei­fel, Dr. Georg Fischer ist Rei­chardt-Fan. Der Gold­ma­cher von Gun­zen­hau­sen hat es ihm ange­tan und aktu­ell gibt es wahr­schein­lich nie­man­den, der mehr über die schil­lern­de Per­sön­lich­keit weiß, als er. Sein Wis­sen gibt er ger­ne wei­ter, u.a. im Rah­men von For­schungs­ar­bei­ten, eine davon ist in der 2010er-Auf­satz­samm­lung „Alt-Gun­zen­hau­sen“ unter dem Titel „Hei­len oder herr­schen – Johann Rei­chardt und Johann App­ler“ nach­zu­le­sen. Im Rah­men des Erzähl­fests hat­te die Kul­tur­ma­che­rei Dr. Georg Fischer in Zusam­men­ar­beit mit der Stadt nun nach Gun­zen­hau­sen ein­ge­la­den. Im ehe­ma­li­gen Reichardt´schen Anwe­sen „Haus des Gas­tes“ wag­te er mit sei­nem musi­ka­li­schen Part­ner Nor­bert Feil eine klei­ne Retro­per­spek­ti­ve.

Rund 40 Besu­che­rin­nen und Besu­cher woll­ten in der gut gefüll­ten Jagd­klau­se natür­lich wis­sen, ob der Rei­chardt nun wirk­lich Gold her­stel­len konn­te. Frei­lich blieb Dr. Georg Fischer eine fina­le Ant­wort schul­dig, gesi­chert ist bis heu­te nur, dass Johann Rei­chardts alche­mis­ti­sche Ver­su­che nicht nur in Gun­zen­hau­sens Geschich­te ein­gin­gen. Bekannt­lich wur­de 1925 in einem Abschnitt der Gun­zen­häu­ser Stadt­mau­er ein Rezept zur Gold­her­stel­lung gefun­den, außer­dem die Zuta­ten dazu und eine geheim­nis­vol­le Phio­le. Diver­se Ver­su­che spä­ter hat­te Rei­chardt tat­säch­lich Gold­split­ter in der Hand, die Echt­heit derer wur­de von der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät in Mün­chen bestä­tigt. 1926 folg­te dann jedoch die Ernüch­te­rung – die Unter­su­chung im Ber­li­ner Reichs­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um fiel nega­tiv aus. Dabei hat­ten vie­le Deut­sche gro­ße Stü­cke auf den Gold­ma­cher gesetzt, immer­hin war das Reich in den 1920er-Jah­ren immer noch mit hohen Repa­ra­ti­ons­zah­lun­gen beschäf­tigt. Der Reichardt´sche Gold­esel hät­te alle finan­zi­el­len Pro­ble­me lösen kön­nen.

Als spä­ter die Nazis an die Macht kamen, prak­ti­zier­te der ehe­ma­li­ge Metz­ger­lehr­ling längst als Heil­prak­ti­ker und hielt nicht viel von Anti­se­mi­tis­mus, Gewalt oder gar Krieg. In sei­ner Pra­xis im Haus des Gas­tes hat er Deut­sche und Juden ohne Unter­schied behan­delt, dazu war er schwul und der Obrig­keit somit aus vie­len Grün­den ein Dorn im Auge. Bür­ger­meis­ter Johann App­ler denun­zier­te ihn 1941, doch mehr als eine Woche Arrest hat­te er nicht zu erlei­den. So soll sich Juli­us Strei­cher per­sön­lich für die Frei­set­zung Johann Rei­chardts ein­ge­setzt haben. Dr. Georg Fischer ver­mu­tet, der Nürn­ber­ger Het­zer spe­ku­lier­te auf das Rezept zur Gold­her­stel­lung um die Kriegs­in­dus­trie zu finan­zie­ren.

Fischer hat vie­le Anek­do­ten und Wis­sens­wer­tes über Johann Rei­chardt zu erzäh­len. Er berich­te­te über des­sen Jugend­zeit, über sei­ne Wan­der­schaft und sei­ne ers­ten Schrit­te in Gun­zen­hau­sen. Auch soll es Rei­chardt zu ver­dan­ken sein, dass der Vater Fischers, ein ehe­ma­li­ger Schul­freund des Gold­ma­chers, nach Depor­ta­ti­on wie­der aus dem KZ Dach­au ent­las­sen wur­de. Ein „Gutes Wort“ Rei­chardts hat­te wohl genügt, sein Ein­fluss auf Nazi­grö­ßen schien gewal­tig. Georg Fischer kann­te Rei­chardt auch. Als 10-jäh­ri­ger Bub hat­te er Wachs­tums­stö­run­gen und wur­de von der Mut­ter in die Pra­xis geschickt. Rei­chardt ver­schrieb Honig, ein Lebens­eli­xier, von dem Fischer noch heu­te schwärmt.

So ver­ging ein kurz­wei­li­ger Abend, den Nor­bert Feil immer wie­der musi­ka­lisch auf­lo­cker­te. Mit Akkor­de­on oder Gitar­re ließ er Rei­chardts Wan­der­vo­gel­zeit auf­le­ben, sang Hei­mat­lie­der und Hym­nen an die Natur. Der Gold­ma­cher blieb aller­dings auch danach ein Geheim­nis. Ob Schar­la­tan oder doch Wun­der­kna­be, viel­leicht wird Gun­zen­hau­sen es nie erfah­ren.

Bild­un­ter­schrift:  In sei­nem leben­di­gen Vor­trag über Johann Rei­chardt ging Dr. Georg Fischer auch auf des­sen Gold­ma­cher­küns­te ein. Musi­ker Nor­bert Feil inter­pre­tier­te Wan­der­vo­gel- und Hei­mat­lie­der. Foto: Stadt Gun­zen­hau­sen