Die Vogelinsel im Altmühlsee: Ein El Dorado der Vogelbeobachtung?

von | 23. Juni 2023 | Altmühlfranken, Gunzenhausen, Treuchtlingen, Weißenburg

Muhr am See (red). „Leben, wo ande­re Urlaub machen“, am Alt­mühl­see wird der Wahl­spruch des Land­krei­ses vor allem im Bereich der Natur­er­ho­lung und der Suche nach Natur­er­leb­nis­sen offen­kun­dig. Der ver­gan­ge­ne Mai mar­kiert nicht nur den Beginn der Tou­ris­mus­sai­son am Alt­mühl­see, son­dern lock­te dabei neben einer gro­ßen Anzahl an Besu­che­rin­nen und Besu­chern auch eine Viel­zahl ver­schie­de­ner und vor allem sel­te­ner Vögel an den Alt­mühl­see und vor die Lin­sen vogel­be­geis­ter­ter Natur­be­ob­ach­ter und Natur­be­ob­ach­te­rin­nen. Der Erst­nach­weis einer Nord­ame­ri­ka­ni­schen Prä­rie­mö­we für Bay­ern stell­te dabei sicher für vie­le das High­light des früh­jähr­li­chen Vogel­zu­ges dar. Sebas­ti­an Amler, Exper­te für Vogel­ar­ten­kennt­nis des baye­ri­schen Natur­schutz­ver­ban­des LBV (Lan­des­bund für Vogel- und Natur­schutz) und Vor­sit­zen­der der Kreis­grup­pe Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen zieht ein begeis­ter­tes Resü­mee: „Was wir hier mit der Vogel­in­sel für ein Juwel im Land­kreis haben, sucht bay­ern­weit sei­nes­glei­chen. Die Beob­ach­tun­gen, die wir als LBV den natur­be­geis­ter­ten Gäs­ten am Alt­mühl­see ermög­li­chen wol­len und kön­nen sind ein­zig­ar­tig. Juwe­len muss man aber auch pfle­gen. Wir wol­len das Gebiet daher zukünf­tig noch mehr för­dern, um so noch mehr Men­schen ein­zig­ar­ti­ge Erleb­nis­se mit unse­rer Vogel­welt besche­ren zu kön­nen!“

Die Vogel­in­sel im Alt­mühl­see ist nicht nur Tou­ris­tenhot­spot, son­dern auch Natur­schutz­ge­biet, Vogel­schutz­ge­biet und FFH-Gebiet. Sie weist also ziem­lich alle Schutz­ka­te­go­rien auf, die ein Gebiet nur haben kann. Es wird deut­lich: Wir haben ein ech­tes Juwel im Land­kreis. Dies unter­streicht auch der LBV-Kreis­vor­sit­zen­de Sebas­ti­an Amler: „Die Vogel­in­sel bei uns im Alt­mühl­see ist eine wah­re Per­le. Sie ist das bes­te Vogel­be­ob­ach­tungs­ge­biet in Bay­ern! Des­halb beglei­ten wir als LBV das Gebiet auch schon seit sei­nen Anfän­gen.“ Neben dem ver­gan­ge­nen LBV-Vogel­in­sel­fest Ende Mai, dem LBV-Vogel­be­ob­ach­tungs­tag im Okto­ber und den regel­mä­ßi­gen Füh­run­gen der LBV-Umwelt­sta­ti­on am Alt­mühl­see, fand im Früh­jahr auch bereits ein ers­ter Pfle­ge­ein­satz in Abspra­che mit der höhe­ren Natur­schutz­be­hör­de der Regie­rung von Mit­tel­fran­ken, der unte­ren Natur­schutz­be­hör­de des Land­rats­am­tes und dem Was­ser­wirt­schafts­amt als Flä­chen­in­ha­ber statt, um die Wer­tig­keit des Gebie­tes wie­der zu erhö­hen.

Beson­ders die gro­ße Viel­falt an durch­zie­hen­den und ras­ten­den Vogel­ar­ten ver­lei­hen dem Schutz­ge­biet gro­ße Bedeu­tung. Das ver­mut­li­che Jah­res-High­light für vie­le Vogel­be­ob­ach­te­rin­nen und Beob­ach­ter aus ganz Deutsch­land zeig­te sich dabei bereits ab dem 18. April: eine Prä­rie­mö­we, die sich aus Nord­ame­ri­ka ins Frän­ki­sche Seen­land ver­irrt hat­te. Die­se Art wur­de zuvor noch nie in
Bay­ern nach­ge­wie­sen. Auch in Deutsch­land wur­de die Art bis­lang nur weni­ge Male doku­men­tiert. „Nach­dem die Prä­rie­mö­we von einem ehe­ma­li­gen LBV-Zivil­dienst­leis­ten­den ent­deckt wur­de, bin
ich schnellst­mög­lich an den See gefah­ren, um sie auch selbst beob­ach­ten zu kön­nen. Am See ange­kom­men traf ich glück­li­cher­wei­se auf einen ande­ren Vogel­be­ob­ach­ter, der die Möwe vor weni­gen Minu­ten noch gese­hen hat­te, zudem erwar­te­ten mich aber auch meh­re­re hun­dert Lach­mö­wen und Beob­ach­tungs­be­din­gun­gen, die von vor­ne­her­ein klar mach­ten: Das wird nicht ein­fach.
Ich bau­te mein Spek­tiv, eine Art Fern­rohr zur Natur­be­ob­ach­tung, auf und such­te die See­flä­che erst­mal mit mei­nem Fern­glas ab. Manch­mal war­tet man auf so einen Vogel auch mal meh­re­re
Stun­den. Eini­ge Beob­ach­ter, die z.T. extra für die Möwe aus ande­ren Bun­des­län­dern aber auch angren­zen Nach­bar­län­dern, wie z.B. Öster­reich ange­reist waren, such­ten sogar meh­re­re Tage. Wir
hat­ten jedoch Glück und konn­ten Sie bereits nach weni­gen Minu­ten beob­ach­ten: Als wir die Möwe dann gemein­sam gefun­den haben und zudem noch ein Trupp von Regen­brach­vö­geln über uns
flog und die ers­te Beu­tel­mei­se nur weni­ge Meter ent­fernt aus einem Busch rief war die Freu­de dann rie­sig!“, berich­tet Sebas­ti­an Amler von sei­ner per­sön­li­chen Erfah­rung.

Ende Mai zeig­te sich auch noch die außer­ge­wöhn­li­che Dünn­schna­bel­mö­we, eine Art aus dem Mit­tel­meer­raum. Vor allem Was­ser- und Wat­vö­gel fin­den sich jedes Jahr aufs Neue am Alt­mühl­see ein. Eini­ge sind dabei eher unschein­bar und klein, wie etwa der Temmink­strand­läu­fer, ande­re groß und auf­fäl­lig wie der See­ad­ler oder der Fisch­ad­ler. Eini­ge kom­men allein nach einer tau­sen­de kilo­me­ter­lan­gen Zug­stre­cke wie etwa die Pfuhl­schnep­fe. Sie ist Rekord­hal­te­rin im Vogel­reich für die längs­te geflo­ge­ne non­stop Stre­cke von Alas­ka nach Neu­see­land. Ande­re kom­men im Trupp, wie z.B. 55 Trau­er­see­schwal­ben am 22. Mai unter die sich auch immer wie­der Weiß­bart- und Weiß­flü­gel­see­schwal­ben mischen kön­nen. Auch Fluss­see­schwal­ben und sogar eine
Lach­see­schwal­be zeig­ten sich bereits in die­sem Jahr. Vie­le Arten­ma­chen auf der Vogel­in­sel nur kurz Halt, um Ener­gie zu tan­ken, oder ver­flie­gen sich, wie bei­spiels­wei­se ein Sich­ler, Säbel­schnäb­ler oder ein Aus­tern­fi­scher Ende Mai. Ande­re brü­ten mitt­ler­wei­le sogar am Alt­mühl­see, wie bei­spiels­wei­se die nach wie vor sel­te­nen Nacht­rei­her oder der Sei­den­rei­her. Die­se Art hat im ver­gan­ge­nen Jahr erst zum drit­ten Mal über­haupt in Deutsch­land gebrü­tet, und das am Alt­mühl­see. Eine ganz beson­de­re Rei­her­art, der Kuh­rei­her, könn­te sich im Zuge der Kli­ma­kri­se und der damit ein­her­ge­hen­den Ver­schie­bung vie­ler Arten Rich­tung Nor­den sogar lang­fris­tig bei uns ansie­deln.

All die­se Was­ser und Wat­vö­gel haben etwas gemein: Sie brau­chen offe­ne und vege­ta­ti­ons­freie Was­ser- und Ufer­flä­chen. Ein­zel­ne Sträu­cher und Bäu­me z.B. als Ansitz­war­ten für den Fisch­ad­ler
oder Brut­plät­ze für den Nacht­rei­her wer­den noch gut tole­riert. Ver­bu­schen Gebie­te aber zu sehr, ver­lie­ren sie ihre Bedeu­tung für vie­le der sel­te­nen und bedroh­ten Was­ser- und Wat­vö­gel. Feh­len
die­se Flä­chen, feh­len also auch die Arten. Das „Natur­schutz­ge­biet Vogel­frei­stät­te Flach­was­ser- und Insel­zo­ne im Alt­mühl­see“, wie die Vogel­in­sel offi­zi­ell heißt, braucht als einst künst­lich ange­leg­tes Gebiet Pfle­ge. Andern­falls ver­liert sie ihre her­aus­ra­gen­de Bedeu­tung. Wür­de man die Vogel­in­sel sich selbst über­las­sen, wür­de das Gebiet nach und nach immer mehr ver­lan­den und zuwach­sen. So wür­den zwar neue Lebens­räu­me für bei­spiels­wei­se Arten aus Auwäl­dern ent­ste­hen, die wich­ti­gen und wert­ge­ben­den Arten wür­den dann aber fern­blei­ben. In ein­zel­nen Berei­chen des Natur­schutz­ge­bie­tes zeich­net sich eben die­ses Bild schon ab. Des­halb hat der LBV, in Abspra­che mit den zustän­di­gen Behör­den, als Ergän­zung zu den all­ge­mei­nen Maß­nah­men, im Früh­jahr eine Schilf­mahd durch­ge­führt, um so ein­zel­ne Flä­chen im Bereich der Insel­zo­ne wie­der aus­zu­lich­ten. Auch eine Rin­der- und Zie­gen­be­wei­dung begeis­tert nicht nur die Besu­cher der Insel, son­dern dient l als Pfle­ge­maß­nah­me. Im Herbst die­ses Jah­res soll zudem ein wei­te­rer Pfle­ge­ein­satz fol­gen.

All die her­aus­ra­gen­den Sich­tun­gen sind jedoch nur mög­lich, weil immer wie­der vogel­be­geis­ter­te Men­schen zum Alt­mühl­see kom­men und die dor­ti­ge Arten­viel­falt doku­men­tie­ren. Wie ver­schie­de­ne wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en bele­gen, macht die Vogel­be­ob­ach­tung dabei auch glück­lich: Des­halb bie­tet der LBV regel­mä­ßig Füh­run­gen an und begeis­tert dabei Jung und Alt
für unse­re hei­mi­sche Natur.

Infor­ma­tio­nen zu Ver­an­stal­tun­gen gibt es auf der Home­page der LBV-Umwelt­sta­ti­on Alt­mühl­see unter altmuehlsee.lbv.de und der Home­page der LBV-Kreis­grup­pe Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen unter weissenburg-gunzenhausen.lbv.de.

Über den Natur­schutz­ver­band LBV
Der baye­ri­sche Natur­schutz­ver­band LBV — Lan­des­bund für Vogel- und Natur­schutz in Bay­ern e. V. — setzt sich durch fach­lich fun­dier­te Natur- und Arten­schutz­pro­jek­te sowie Umwelt­bil­dungs­maß­nah­men für den Erhalt einer viel­fäl­ti­gen Natur und Vogel­welt in Bay­ern ein. 1909 gegrün­det ist der LBV der ältes­te Natur­schutz­ver­band im Frei­staat und zählt aktu­ell über 115.000 Unterstützer*innen.

Der LBV ist seit Anbe­ginn des Alt­mühl­sees als Natur­schutz­ver­band vor Ort aktiv. Zuerst nur mit einem Zivil­dienst­leis­ten­den und einer klei­nen Hüt­te am See prä­sent stei­ger­te sich die Prä­senz des LBV über die Eröff­nung eines Infor­ma­ti­ons­zen­trums, mit der Aus­stel­lung „Lebens­raum Alt­mühl­see – Fas­zi­na­ti­on Vogel­zug“ in der Gemein­de Muhr a. See im Jahr 2003, hin zur Aus­wei­sung die­ses Zen­trums zur Umwelt­sta­ti­on im Jahr 2005, wie sie auch heu­te noch vor­zu­fin­den ist. Der Alt­mühl­see mit sei­nem Natur­schutz­ge­biet Vogel­in­sel selbst, ist eines der bedeu­tends­ten Rast­ge­bie­te für Zug­vö­gel und eines der bes­ten Vogel­be­ob­ach­tungs­ge­bie­te Deutsch­lands. Die Vogel­in­sel ist dabei ganz­jäh­rig und zu jeder Tages- und Nacht­zeit auf dem etwa 1,5km lan­gen Rund­weg begeh­bar und bie­tet so Natur­er­fah­run­gen für jeder­mann. Die staat­lich aner­kann­te LBV-Umwelt­sta­ti­on Alt­mühl­see bie­tet eine Viel­zahl ver­schie­de­ner Umwelt­bil­dungs­pro­gram­me an und begeis­tert durch die­se jedes Jahr meh­re­re Tau­send Besu­che­rin­nen und Besu­cher.

Mehr Infos über den LBV vor Ort unter: www.weissenburg-gunzenhausen.lbv.de und altmuehlsee.lbv.de.

Bild­un­ter­schrift: Der brau­ne Sich­ler. Foto: Gun­ther Zieger/ LBV