NGG Nürnberg-Fürth startet MdB-Appell gegen Abschaffung vom 8‑Stunden-Tag

von | 11. September 2025 | Allgemein, Altmühlfranken, Gunzenhausen, Treuchtlingen, Weißenburg

Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen schiebt 1,1 Mio. Über­stun­den – vie­le zum Null­ta­rif

Der Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen schiebt ordent­lich Über­stun­den: Rund 1,1 Mil­lio­nen Stun­den haben Beschäf­tig­te im ver­gan­ge­nen Jahr im Land­kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen zusätz­lich gear­bei­tet. Davon rund 587.000 Über­stun­den zum Null­ta­rif – ohne Bezah­lung. Das geht aus dem „Arbeits­zeit-Moni­tor“ her­vor, den das Pest­el-Insti­tut im Auf­trag der Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) gemacht hat.

Allein in Hotels und Gast­stät­ten im Land­kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen leis­te­ten Köche, Kell­ne­rin­nen, Bar­kee­per & Co. im ver­gan­ge­nen Jahr rund 20.000 Über­stun­den. Das hat das Pest­el-Insti­tut auf Basis einer Aus­wer­tung der Bun­des­agen­tur für Arbeit ermit­telt. Die Wis­sen­schaft­ler haben dabei für den Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen bun­des­wei­te Durch­schnitts­wer­te von Arbeits­zei­ten in der Gas­tro­no­mie her­an­ge­zo­gen. Dem­nach waren 53 Pro­zent aller im Land­kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen geleis­te­ten Über­stun­den in Hotels, Restau­rants, Gast­stät­ten und Bier­gär­ten unbe­zahlt.

Die Gewerk­schaft warnt: Der Über­stun­den­berg im Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen dürf­te dem­nächst noch grö­ßer wer­den. Grund sei­en Plä­ne der Bun­des­re­gie­rung, die Arbeits­zeit neu zu regeln: „Schwarz-Rot will eine wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit und den 8‑Stun­den-Tag abschaf­fen. Betrie­be könn­ten von ihren Beschäf­tig­ten dann ver­lan­gen, auch zehn, elf oder in der Spit­ze sogar 12 Stun­den und 15 Minu­ten pro Tag zu arbei­ten“, sagt Regi­na Schle­ser von der NGG Nürn­berg-Fürth.

Die NGG Nürn­berg-Fürth schlägt Alarm: Schon jetzt betra­ge die maxi­ma­le Arbeits­zeit 48 Stun­den pro Woche. In der Spit­ze sei­en sogar 60-Stun­den-Wochen mög­lich. „Das sind Extrem-Arbeits­wo­chen. Selbst wenn so ‚Ham­mer-Wochen‘ inner­halb eines Vier­tel­jah­res aus­ge­gli­chen wer­den müs­sen. Doch noch schlim­mer wird es, wenn die Bun­des­re­gie­rung jetzt tat­säch­lich ans Arbeits­zeit­ge­setz Hand anlegt und den 8 Stun­den-Tag kippt. Dann wür­de näm­lich nur noch das euro­päi­sche Recht ein Wochen-Limit für die Arbeits­zeit set­zen. Und das wäre bru­tal: Arbeit­ge­ber könn­ten ihre Beschäf­tig­ten dann sogar zu 73,5 Stun­den-Wochen ver­don­nern – näm­lich zu sechs Tagen à 12 Stun­den und 15 Minu­ten im Job. Das wäre fast das dop­pel­te Wochen-Pen­sum von heu­te – und damit Arbeits­zeit-Stret­ching pur“, so Schle­ser.

Die Geschäfts­füh­re­rin der NGG Nürn­berg-Fürth macht ihrem Ärger Luft: „Vie­le Arbeit­ge­ber im Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen wür­den das hem­mungs­los aus­nut­zen. Es dro­hen dann völ­lig über­la­de­ne Arbeits­wo­chen, bei denen man die Stun­den, in denen man nicht schläft, fast kom­plett im Job oder auf dem Weg zur Arbeit ver­bringt. Das macht Men­schen dann aber fix und fer­tig. Außer­dem wür­de dabei ein Rie­sen­berg an Über­stun­den auf­lau­fen. Und ans Abfei­ern der Über­stun­den ist sowie­so nicht zu den­ken
bei dem Fach­kräf­te­man­gel, der eigent­lich über­all herrscht.“

Die Geschäfts­füh­re­rin der NGG Nürn­berg-Fürth spricht von einem „Arbeits­zeit-Mono­po­ly“ der Bun­des­re­gie­rung: „Das ist wil­de Zeit-Zocke­rei. Für Beschäf­tig­te bedeu­tet das: Arbei­ten bis ans Limit – und dar­über hin­aus“, so Schle­ser. Sie hat dabei die Gesund­heit der Beschäf­tig­ten im Blick, aber auch die Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf: „Nach acht Stun­den Arbeits­zeit steigt die Gefahr von Arbeits­un­fäl­len rasant an. XXL-Arbeits­ta­ge bedeu­ten auf Dau­er eine Belas­tung für den Kör­per und für die Psy­che: von Herz-Kreis­lauf- und Stoff­wech­sel-Erkran­kun­gen bis zum Burn­out“, so Schle­ser.

Außer­dem im Fokus der Gewerk­schaft: Wer die Fami­lie, den Beruf und die Pfle­ge von Ange­hö­ri­gen unter einen Hut brin­gen müs­se, brau­che vor allem eines – plan­ba­re und ver­läss­li­che Arbeits­zei­ten. Und die müss­ten auch zu den Betreu­ungs­zei­ten von der Kita und vom Hort pas­sen. „Denn wer holt die Kin­der dort ab, wenn die Schicht zwölf Stun­den geht?“, fragt Schle­ser.

Die geplan­te Auf­wei­chung des 8‑Stun­den-Tages gehe in die fal­sche Rich­tung. Schon heu­te jon­glier­ten Fami­li­en zwi­schen Job, Kin­der­be­treu­ung oder der Pfle­ge von Ange­hö­ri­gen. „Län­ge­re Arbeits­ta­ge ver­schär­fen die Pro­ble­me und ver­hin­dern eine gerech­te Ver­tei­lung von Erwerbs­ar­beit, Kin­der­be­treu­ung und Pfle­ge. Denn obwohl sich vie­le Väter wün­schen, mehr Zeit mit ihren Kin­dern zu ver­brin­gen, wird durch noch län­ge­re täg­li­che Arbeits­zei­ten das Allein­ver­die­n­er­mo­dell gestärkt“, warnt Regi­na Schle­ser. Anstatt das Fach­kräf­te­po­ten­ti­al von Frau­en zu nut­zen, ver­hin­der­ten XXL-Schich­ten eine ech­te Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf.

Die NGG Nürn­berg-Fürth nennt dazu auch Zah­len: So wer­den aktu­ell 74 Pro­zent aller Teil­zeit-Jobs im Land­kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen von Frau­en gemacht. Die Gewerk­schaft beruft sich dabei auf Anga­ben der Arbeits­agen­tur. Schle­ser appel­liert daher an die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten aus dem Kreis Wei­ßen­burg-Gun­zen­hau­sen und der Regi­on, dem „Her­um­schrau­ben am Arbeits­zeit­ge­setz in Ber­lin einen Rie­gel vor­zu­schie­ben“. Schon jetzt sei­en fle­xi­ble Arbeits­zei­ten im Rah­men des Arbeits­zeit­ge­set­zes und durch Tarif­ver­trä­ge, die die NGG abge­schlos­sen habe, für vie­le Beschäf­tig­te All­tag. „Noch mehr Fle­xi­bi­li­tät ist gar nicht nötig“, so Schle­ser. Außer­dem ersetz­ten 10- oder 12-Stun­den-Tage kei­ne feh­len­den Fach­kräf­te. „Gute Arbeits­be­din­gun­gen, bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, sys­te­ma­ti­sche Qua­li­fi­zie­rung und mehr Aus­bil­dung. Das sind die rich­ti­gen Hebel für mehr Fach­kräf­te. Ver­schie­be­rei­en bei der Arbeits­zeit sind nichts ande­res als das Löcher­stop­fen bei einer zu dün­nen Per­so­nal­de­cke“, so Regi­na Schle­ser.

Bild­un­ter­schrift: Gestretch­te Arbeits­zeit: Die Stun­den im Job las­sen sich nicht wie ein Gum­mi­band zie­hen, sagt die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten. Die NGG Nürn­berg-Fürth will ver­hin­dern, dass die Bun­des­re­gie­rung den 8‑Stun­den-Tag abschafft.
Foto: NGG | Tobi­as Sei­fert