Gunzenhausen im Herzen – Ausstellungsdreiklang zu Ehren des Heimatmalers Michl Hertlein

von | 19. Oktober 2023 | Altmühlfranken, Gunzenhausen

Gun­zen­hau­sen (red). Michl Hertlein ist eine die­ser schil­lern­den Per­sön­lich­kei­ten, wie sie wohl nur ein roman­tisch-städ­ti­sches Klein­od wie Gun­zen­hau­sen her­vor­brin­gen kann. Der Kunst­ma­ler war ein Ori­gi­nal, sein keckes Grin­sen, gepaart mit Sturm­fri­sur und dicken Rin­gen an den Fin­gern mach­ten ihn in zu etwas Außer­ge­wöhn­li­chem. Bei sei­nen Mit­men­schen war er beliebt, steck­te aller­dings auch vol­ler Wider­sprü­che. Gebo­ren 1896 mit ver­küm­mer­ter Hand, gestor­ben 1957 nach einem Leben vol­ler Höhen und Tie­fen, war er Teil einer für die Gesell­schaft schwie­ri­gen Zeit­pha­se. Er par­ti­zi­pier­te an einer sich immer schnel­ler dre­hen­den Welt vol­ler Inno­va­tio­nen und Dis­kre­pan­zen, er freu­te sich einer­seits über tech­ni­schen Fort­schritt, litt ande­rer­seits unter finan­zi­el­len und wirt­schaft­li­chen Kri­sen. Hertlein steck­te vol­ler Ideen, Talent und Träu­men – sei­ne kör­per­li­che Behin­de­rung, zwei Welt­krie­ge, eine schwer­kran­ke Toch­ter und die stän­di­ge Ver­lust­angst gin­gen jedoch nicht spur­los an ihm vor­bei.

1925 bereis­te er im Rah­men einer Stu­di­en­rei­se Öster­reich, Ita­li­en und Liby­en. Anfang der 1930er-Jah­re wur­den aus sei­ner Welt­of­fen­heit und kon­ti­nen­ta­len Rei­se­lust Ver­blen­dung und die Hin­ga­be zum Natio­nal­so­zia­lis­mus. Ob über­zeugt oder nicht – aus heu­ti­ger Sicht spielt das kei­ne gro­ße Rol­le mehr. Sicher ist jedoch, dass sein Den­ken und Han­deln in stän­di­ger Bewe­gung war. Wor­auf sich sei­ne Kun­den ver­las­sen konn­ten, war ein gro­ßer Out­put an Kunst­wer­ken, vie­le davon mit regio­na­lem Bezug.

Unzäh­li­ge Bil­der, Radie­run­gen oder auch bemal­te Möbel­stü­cke sind heu­te noch im Umlauf, vie­le Gun­zen­häu­ser Bür­ge­rin­nen und Bür­ger haben Michl Hertlein-Objek­te zu Hau­se und bewah­ren die Stü­cke gene­ra­tio­nen­über­grei­fend auf. Aktu­ell hält die Stadt Gun­zen­hau­sen mit fast 500 Stü­cken wohl den größ­ten Bestand an Hertlein-Kunst­wer­ken. Zu Ehren des Jubi­lä­ums­jahrs kann gegen­wär­tig ein gro­ßer Teil davon kos­ten­los an drei Orten in der Alt­mühl­stadt besich­tigt wer­den, eini­ge Stü­cke sind gar das ers­te Mal in der Öffent­lich­keit zu sehen. Als Höhe­punkt der Hertlein-Schau fand vor kur­zem in der Stadt- und Schul­bü­che­rei Gun­zen­hau­sen ein infor­ma­ti­ver Abend statt. Gleich­zei­tig wur­de der drit­te Teil der Aus­stel­lung mit dem Titel „Mein Gun­zen­hau­sen – Hei­mat im Her­zen“ offi­zi­ell eröff­net.

Hei­mat­for­sche­rin Babett Gut­h­mann und Stadt­ar­chi­var Wer­ner Mühl­h­äu­ßer sind ohne Fra­ge die größ­ten Exper­ten im Hertlein-Kos­mos´. 2016 haben sie zusam­men mit der His­to­ri­ke­rin Dr. Gesa Büchert die viel beach­te­te Mono­gra­phie „Michl Hertlein – Ein frän­ki­scher Maler. Sein Leben – sein Werk.“ ver­öf­fent­licht. Dem­entspre­chend gespannt waren die zahl­rei­chen Besu­che­rin­nen und Besu­chern am Ver­nis­sa­ge­abend, durf­ten sie sich doch auf eine umfas­sen­de Doku­men­ta­ti­on über das künst­le­ri­sche Schaf­fen freu­en. Gemein­sam mit der tur­bu­len­ten Bio­gra­phie des Künst­lers ergab sich für die Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer ein span­nen­des Bild vol­ler Höhen und Tie­fen. Die wenigs­ten wis­sen, dass Hertlein auch Hei­mat­for­scher war und in dem gro­ßen Dr. Hein­rich Eidam einen väter­li­chen Freund fand. Spä­ter lei­te­te er gemein­sam mit sei­ner Frau Edith das Gun­zen­häu­ser Hei­mat­mu­se­um. Natür­lich zweck­ent­frem­de­te der frü­he Mar­ke­ting­pro­fi die Räum­lich­kei­ten auch zu Gale­rie- und Ver­kaufs­zwe­cken.

Nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de es um Michl Hertlein ruhi­ger. Mit Glück wur­de er von den Ame­ri­ka­nern nur als „Mit­läu­fer“ ein­ge­stuft. Den­noch leb­te er zeit­wei­se wohl von der Hand in den Mund. Vie­le Wer­ke waren Auf­trags­ar­bei­ten, vom Ver­kauf der Bil­der war das Über­le­ben der Hertlein-Fami­lie abhän­gig. Heu­te ist der Kunst­ma­ler leben­di­ge Stadt­ge­schich­te, die Reso­nanz auf die Aus­stel­lung ist rie­sig. Sei­ne Bil­der hal­ten Erin­ne­run­gen an längst ver­gan­ge­ne Zei­ten auf­recht, man­che davon wür­den wir ger­ne unge­sche­hen machen. So tau­chen zwi­schen wun­der­ba­ren Illus­tra­tio­nen auch immer wie­der Bil­der mit Haken­kreuz­fah­nen auf. Die­se sind in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus ent­stan­den und Michl Hertlein war Teil davon. Es ist wich­tig, dass die­se Pha­se nicht ver­schwie­gen wird. Genau­so wich­tig ist es aber auch, das Kön­nen und die Viel­falt des frän­ki­schen Hei­mat­ma­lers in den Fokus zu rücken. Michl Hertlein steck­te vol­ler Ideen und noch mehr Talent. Sei­ne Moti­ve sind manch­mal expres­sio­nis­tisch und auf­re­gend, dann wie­der natu­ra­lis­tisch und schreck­lich pro­fan. Er war arbei­ten­der Maler, der stän­dig nach Auf­trä­gen such­te. Die fand er häu­fig in Gun­zen­hau­sen, was die zahl­rei­chen Bil­der bewei­sen, die Sze­nen aus der Stadt zei­gen.

Der Titel der drei­tei­li­gen Aus­stel­lung zu Ehren Michl Hertleins lau­tet „Michl Hertlein – Bil­der sei­nes Lebens“. Seit dem 30. Sep­tem­ber sind aus­ge­wähl­te Rei­se­bil­der im Kunst­fo­rum Frän­ki­sches Seen­land e.V. (M11) zu sehen (www.kunstforum-fraenkisches-seenland.de). Im Rat­haus­foy­er wur­de eine Blu­men­wei­se aus Natur­mo­ti­ven auf­ge­hängt. Und in der Stadt und Schul­bü­che­rei sind Wer­ke mit Bezug zu Gun­zen­hau­sen, aber auch Moti­ve ohne Zuord­nung, Skiz­zen­bü­cher und Objek­te aus­ge­stellt. Der Ein­tritt ist jeweils frei, eine Besich­ti­gung zu den übli­chen Öff­nungs­zei­ten mög­lich. Ach­tung: Die Aus­stel­lung im M11 läuft nur noch bis zum 5. Novem­ber, die im Rat­haus und in der Stadt- und Schul­bü­che­rei bis zum 16. Dezem­ber 2023.

Bild­un­ter­schrift: (v. l.): Stadt­ar­chi­var Wer­ner Mühl­h­äu­ßer, Kura­to­rin Babett Gut­h­mann, Ers­ter Bür­ger­meis­ter Karl-Heinz Fitz; Foto: Stadt Gun­zen­hau­sen