Frühstück bei Tiffany- Drei Stunden anspruchsvolles Theater und genial durchdacht im Detail.

HEIDENHEIM (WAG). Mein Glückwunsch an das Naturtheater. Zuhören ist eine Kunst, die im Naturtheater dieses Jahr einen besonderen Anspruch erhebt. Nur so, kann man die vielen liebevollen Details zwischen der herrlichen Kulisse, der Szenerie, dem Fingerschnipp von Fred, dieser Kunstkniff strukturiert während des gesamten Theaterstücks sämtliche Unsicherheiten und besänftigt das Auf und Ab der Entwicklungen, den Requisiten einem roten Lippenstift, oder den zarten Händen, die aus einer Badewanne gegen den Himmel tänzeln, heraus lesen.

Die Abenddämmerung zieht ein entspannt gespanntes Premieren-Publikum auf den Heidenheimer Schlossberg: Man freut sich auf Frühstück bei Tiffany bei Sonnenuntergang. Zuschauerplätze sind fast bis letzten Sitz belegt, Gäste und VIPs humorvoll begrüßt, die während eines vollen halben Jahres gebaute Kulisse gewürdigt. Und es hat sich gelohnt! Auf überlebensgroßen Gemälden finden sich die SchauspielerInnen in berühmte Bilder eingefügt. Sie zieren den Schauplatz wie ein Wohnzimmer.

Die Heidenheimer Holly Golightly verwandelt sich in das Mädchen mit dem Perlenohrring, daneben eine Orienttor-Optik in Nachbarschaft des gepiercten Mehrfamilien Wohnhauses- dem Mittelpunkt des Geschehens. Grau in grau beschirmt-bekleidete Passanten erwecken kühl den exzentrisch farbigen Städterahmen. Alles ist eben upside-down in dieser Geschichte. Wie als Vorbereitung für ihr Erscheinen wird Holly Golightly Lippenstift aufgetragen: Am Stadtrand hebt sich in knallroten Tönen eine Bar ab, gibt den Fragen und Gedanken der Figuren Raum. Lippenstiftsäulen des Glaubens erinnern an die notwendige Bedeutung des Äußeren. Der junge Fred und ein Gast rätseln um den Verbleib von Golightly, vermögen ihr bereits in Abwesenheit glamourösen Mythos zu verleihen. Ob sie etwa in Afrika gesehen worden war? Lässig neben der Freiheitsstatue, vom Dachfirst der Bar aus das Geschehen beobachtend, schaltet sich ein gereifter Fred in mysteriös dunkler Robe als fast allwissender Erzähler ein. Neben ihm ein schräg gelagerter Lippenstift, so groß wie er selbst. Freds Fingerschnipp lässt Barbesucher und graue Masse augenblicklich innehalten, um sie nach Kundgabe seines Insiderwissens per Fingerschnalz die unterbrochene Bewegung fortführen zu lassen. Dieser Kunstkniff strukturiert während des gesamten Theaterstücks sämtliche Unsicherheiten, besänftigt das Auf und Ab der Entwicklungen.

Holly Golightly schwebt in eleganter Grazie die Treppen zu ihrer Mietswohnung hinauf. Sie versucht sich eines beharrlichen und lautstarken Verehrers durch die Sicherheit geschlossener Wohnungstür zu entledigen. Was ihr gegenüber ihrer Nachbarschaft im Verlauf des Stückes nicht gelingen wird. Wegen ständiger Störungen fröhlich-farbig inszenierten Partyrauschs wird die Polizei eingeschaltet, da man der Dame je länger desto mehr zutraut.

Die Frage der Echt- oder Falschheit der Persönlichkeit Hollys rangiert von ihrer überzeugend charmanten Emphase über die berührendste aller Gesangsleistungen in höchsten Tönen bis hin zu ihrer Gegenfigur, der schreiend-schrillen Mae. Kater Namenlos unterstreicht mit treuer Präsenz das Plädoyer wahrer Eleganz im Charakter Holly´s. Alles in ihrem Leben scheint „out of place“ , aus der Ordnung geraten. Ebenso zweckentfremden die Schauspieler selbst alle flexiblen Elemente der Kulisse gekonnt in die als Nächstes benötigte Funktion: Ein Riesenbuch wird Bett, die Riesenbrille ein Sofa, Bleistifte beleuchten Nächte als Straßenlaternen, die Büchertruhe kann auch Minibar. Hollys neuer, bester Freund Fred balanciert die Frage der Authentizität am Beispiel des Erfolges ausgeübter Autorenkunst. Sobald er beginnt, sich seiner Nachbarin näher zu fühlen, sie seine Avancen jedoch – wie bei allen anderen – ab einem gewissen Punkt abblockt, erfährt er in der unweiten Bar den Grund: Holly sei verheiratet. Trotz Konfrontation entscheidet diese sich gegen die Rückkehr in frühere Verhältnisse. Sie möchte den passenden Lebensort finden, der sich für sie so anfühlen würde wie Tiffany. Ein unerwarteter Ausgang zollt der wahren Anstrengung nach Ziel und Sinn Respekt.

Fotos: Maike Wagner

   

 

 

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