Stuttgart (wz). Mit der Anpflanzung von alten Apfel- und Birnensorten erhalten die historischen Gartenanlagen am Jagdschloss von Herzog Carl Eugen einen markanten Teil ihrer früheren Gestaltung zurück. Die Gärtner der Wilhelma haben in der vergangenen Woche 37 Hochstämme auf den Rasenflächen hinter den beiden langgestreckten Flügelbauten gesetzt. Als Landesbetrieb zeichnet der Zoologisch-Botanische Garten für die Pflege der staatlichen Grünanlagen aus dem ehemaligen Krongut verantwortlich. Herzog Carl Eugen hatte sich für die Verbesserung des Landbaus eingesetzt, insbesondere die Ausdehnung des Obsthochstammbaus betrieben. „Alte Pläne belegen Obstbaumpflanzungen auch in dem Gartenbereich südlich des Schlosses“, erklärt Micha Sonnenfroh, Leiter des Fachbereichs Parkpflege bei der Wilhelma. „Indem wir alte Sorten pflanzen, machen wir ein Stück regionaler Geschichte lebendig und tragen zum Erhalt dieser in Vergessenheit geratenen Sorten bei.“ Abgestimmt mit dem Land Baden-Württemberg, der Denkmalschutzbehörde und nach Untersuchung des historischen Grunds durch Bodenarchäologen fiel die Wahl auf 14 Apfel- und vier Birnensorten, die zumeist doppelt gesetzt werden. Bei den Äpfeln gehören dazu so alte Sorten wie der „Echte Winterstreifling“ und der „Rote Winterkalvill“, die schon im 16. Jahrhundert bekannt waren, sowie einige Träger kurioser Namen wie „Süße Schaafnase“ oder „Kleiner Fleiner“. Die Birne „Schweizer Hose“ hat Johann Caspar Schiller 1795 beschrieben. Der Vater des Dichters Friedrich Schiller hat als Intendant die Herzöglichen Gärten des Schlosses Solitude über zwei Jahrzehnte für Herzog Carl Eugens geleitet. Schillers Hauptwerk „Die Baumzucht im Großen“ diente auch als Ratgeber bei der Auswahl der Sorten. Die Wilhelma-Betriebsstelle Pfaffenwald pflanzte rund 1,80 Meter hohe Stämme mit dreijähriger Veredlung. „Sie sind auf einer starkwachsenden Unterlage veredelt worden“, sagt Katja Ludwig, Bereichsleiterin der Betriebsstelle, „Apfel auf ,Bittenfelder Sämling‘ und Birne auf ,Kirchensaller Mostbirne‘.“ Die Gärtner um Adrian Rupp gruppierten die Setzlinge auf den beiden so genannten Boskettflächen bewusst unregelmäßig. Bei der Anpflanzung haben sie einen Abstand zur bestehenden Baumhaselallee gewahrt und die bereits vorhandenen Bäume erhalten: Kastanien, Fichten und Sträucher sollen erst nach deren natürlichem Abgang ebenfalls durch Obstbäume ersetzt werden. Der Begriff „bosquet“ (Französisch für „Wäldchen“) beschreibt einen gestalteten Bereich aus der barocken Gartenarchitektur mit Baum- und Strauchgruppen. Dieses am Schloss Solitude insgesamt rund anderthalb Hektar große Terrain war auf jeder Boskette mit von zentralen Rondellen strahlenförmig auslaufenden Wegen durchzogen. Die Radialwege und die Rondelle in der Mitte werden durch regelmäßiges Mähen hervorgehoben und die verbleibenden Wiesenflächen zwischen den Wegen extensiv gepflegt. Wenn der Herzog zu Konzerten oder Tanz ins Schloss einlud, flanierten hier die Damen und Kavaliere durch diese Gärten.

Foto: Wilhelma Stuttgart

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